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Das Flüstern der Stille

Das Flüstern der Stille

Titel: Das Flüstern der Stille
Autoren: Ivonne Senn Heather Gudenkauf
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gegenseitig Halt, damit wir nicht hinunterfielen. Dort, an diesem Tag, Händchen haltend mit meiner besten Freundin, konnte ich mir ein Leben ohne sie, ohne Toni, nicht vorstellen. Und ich kann es immer noch nicht.
    An diesem Morgen rufe ich Charles Wilson an und entschuldige mich im Namen des gesamten Polizeireviers für die Unannehmlichkeiten, die wir ihm bereitet haben.
    „Kein Problem“, sagt er. „Ich bin nur froh, dass Sie die Mädchen gefunden haben.“
    Ich zögere aufzulegen. „Haben Sie eigentlich Ihren Hund wiedergefunden, Mr. Wilson?“, frage ich.
    „O ja“, erwidert er. „Er ist letzte Nacht hungrig und müde nach Hause gekommen. Und etwas verlegen, glaube ich, wegen des Ärgers, den er verursacht hat.“
    Ich entschuldige mich noch einmal und wünsche ihm alles Gute. Er ist ein guter Mann, dieser Mr. Wilson.
    Ich gehe hinüber ins Krankenhaus in der Hoffnung, Toni dort bei Ben und Calli zu finden. Im Wartezimmer stolpere ich beinah über sie, sie sitzt direkt neben dem Informationsschalter und starrt auf ihre Hände. Mir fällt auf, dass sie genauso aussieht wie an dem Tag, an dem sie erfahren hat, dass ihre Mutter gestorben ist.
    „Was soll ich ihnen sagen?“, fragt sie mich, ohne mich anzuschauen.
    „Ich weiß es nicht“, antworte ich wahrheitsgemäß. Ich beneide sie nicht um diese Aufgabe.
    Sie steht auf und schwankt einen Moment, und ich fasse ihren Ellenbogen und gebe ihr Halt. Dann folge ich ihr zum Fahrstuhl. „Soll ich mitkommen, Toni?“, frage ich.
    „Ja“, sagt sie und nimmt meine Hand.

Antonia
    Louis hilft mir, den Kindern beizubringen, dass Griff tot ist. Das sind die schwersten Worte, die ich je sagen musste. „Euer Vater ist gestorben.“ Es ist komisch, dass sie nicht fragen, wie es passiert ist oder warum. Ben und Calli akzeptieren die Tatsache einfach, keine Tränen, keine Wut, nur Akzeptanz. Nicht zum ersten Mal frage ich mich, was ich diesen armen Kindern angetan habe. Ich glaube, dass sie vielleicht einfach nur betäubt sind. In mehr als einer Hinsicht waren es zwei verwirrende, schmerzhafte Tage. Eine weitere grausame Nachricht wiegt vielleicht so viel wie alle anderen schrecklichen Nachrichten, die über sie hereingebrochen sind.
    Weine ich über Griffs Tod? Eine gute Frau würde Ja sagen. Aber ich bin keine gute Frau. Wie oft habe ich mir gewünscht, die Nachricht zu bekommen, Griff sei an der Pipeline so schwer verletzt worden, dass es keine Hoffnung auf Heilung gebe. Oder dass er einen schweren Autounfall gehabt habe und gestorben sei? Zu oft, um es zu zählen. Man bemerke, dass es sich immer um versehentliche Unfälle mit Todesfolge gehandelt hat. Ich bin zu zivilisiert, um mir zu wünschen, dass jemand meinen Mann erschießt. Aber fühle ich Erleichterung? Ja, ich habe mich erleichtert gefühlt, als sein Körper gegen meinen sackte, getroffen von der Kugel. Ich bin erleichtert, dass nicht ich erschossen worden bin, und ich bin erleichtert, dass ich keine betrunkenen Ausraster meines Mannes mehr zu ertragen habe und meine Kinder das auch nicht mehr müssen. Ich war keine gute Mutter; eine gute Mutter hätte ihre Kinder beim ersten Mal gepackt, als ihr Mann leere Bierflaschen nach ihr geworfen hat; beim ersten Mal, als er einem Kind einen zu harten Klaps verpasst hat, weil es etwas Orangensaft verschüttet hat; oder beim ersten Mal, als er das Kind drei Stunden lang am Küchentisch hat sitzen lassen, weil es nicht sagen wollte, nicht konnte: „Darf ich bitte aufstehen.“ Eine gute Mutter hätte nichts davon toleriert. Aber wie ich schon sagte, ich war keine gute Mutter.
    Aber ich habe die Chance bekommen, noch einmal ganz neu anzufangen. Eine gute Mutter zu sein, die Art Mutter, die ihre Kinder beschützt, die ihr Leben für ihre Kinder geben würde. Louis sagt, dass ich bereits so eine Mutter bin, es immer war. Aber ich glaube das nicht, nicht wirklich. Das hier ist meine Chance. Ich will das haben, was ich mit meiner eigenen Mutter nie hatte: ausreichend Zeit. Ich will einfach nur genügend Zeit.

Martin
    Wir brauchen sieben Stiche, um den Schaden, den Griff Clark mir zugefügt hat, als er mir die Waffe an den Kopf schlug, wieder zu beheben. Als weiteres Ergebnis dieses Schlags habe ich eine Gehirnerschütterung und muss die Nacht im Krankenhaus verbringen, weit weg von Petra und Fielda. An diesem Morgen tut mir mein Kopf höllisch weh, aber ich weiß, dass meine Tochter so viel mehr Schmerzen erleidet, und mache mich schnell fertig, um das Krankenhaus zu
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