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Das Feuer der Wüste

Titel: Das Feuer der Wüste
Autoren: Karen Winter
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Swakopmund. Ihr Mann war ein Oukie, wie er im Bilderbuch stand: helle Haut, helle Augen, blondes Haar, deutsche Vorfahren und ein zum Teil herrisches, zum Teil hochnäsiges Gebaren.
    Corinne hatte damit alles, was sie sich je gewünscht hatte: einen weißen Mann mit viel Geld, weiße Möbel und weiße Teppiche, schwarze Dienstboten und einen schwarzen Mercedes, den selbstverständlich ein schwarzer Fahrer mit weißen Handschuhen fuhr. Außerdem hatte Corinne zwei Kinder, einen Jungen und ein Mädchen, deren Haut weiß wie Schaumwaffeln und deren Locken so blond wie deutsche Semmeln waren.
    Ruths Mutter platzte fast vor Stolz auf Corinne. »Meine große Tochter hat es geschafft«, pflegte sie zu sagen, wenn auch zu Ruths Überraschung nie jemand nachfragte, was genau Corinne eigentlich geschafft hatte. Raus aus dem Dreck, aus der Schafskacke, aus der Provinz, hatte ihre Mutter einmal zu erklären versucht, hinein ins richtige Leben, in die Stadt, in die Welt.
    Corinne war es gelungen, ihre Herkunft ganz und gar auszublenden. Seit sie vor sechs Jahren nach Swakopmund gezogen war, war sie noch nicht ein einziges Mal zu Besuch nach Salden’s Hill gekommen. Ruth brach es jedes Mal beinahe das Herz, wenn ihre Mutter vor allen Festtagen den Nachbarn erzählte, dass Corinne dieses Mal ganz bestimmt kommen würde. Und wenn sich Ruth nach dem Fest die Ausflüchte der Mutter anhören musste, versuchte sie, Tränen des Mitleids zu unterdrücken.
    »Corinne konnte nicht kommen, die Kleine ist krank geworden«, pflegte Rose das Wegbleiben ihrer Tochter zu rechtfertigen. »Corinne musste kurzfristig absagen, da ein wichtiges Geschäftsdinner ihres Mannes anstand.« Oder aber: »Corinnes Mann ist auf Geschäftsreise in Kapstadt, und Corinne und die Kinder begleiten ihn.«
    Die Wahrheit aber, vor der Rose die Augen verschloss, war, dass Corinne schlicht keine Lust dazu verspürte, auf die Annehmlichkeiten ihrer Stadtvilla zu verzichten und, wie sie sich ausdrückte, »wieder im Dreck zu wühlen«. Auch der Einbau eines Badezimmers auf Salden’s Hill hatte sie bislang nicht dazu bewegt, ihre Heimat und vor allem ihre Mutter zu besuchen. Daher kannte Rose ihre Enkel nur von den wenigen Fotos, die Corinne ihr geschickt hatte und die sie stolz herumzeigte, und auch die wundervolle Villa hatte sie noch nie betreten, da Corinne sie nie einlud und Rose noch genügend Stolz besaß, um nicht einfach die rund dreihundertfünfzig Kilometer nach Swakopmund zu fahren und ihrer Tochter zur Last zu fallen.
    Ruth seufzte und sah prüfend nach dem Stand der Sonne. »Gleich fünf«, murmelte sie. »Ich muss mich fertig machen.« Sie streichelte Klette, holte ihr aus der Kammer neben der Küche ein getrocknetes Antilopenohr und ging ins Badezimmer. Laut pfeifend wie ein Fuhrknecht duschte sie und wusch sich das Haar. Dann zog sie das grüne Kleid an, das ihre Mutter ihr eigens für diesen Abend aus der Stadt mitgebracht hatte. Es war ärmellos, hatte weiße Punkte und einen weißen Kragen und lag eng am Oberkörper an. Ruth rang für einen Augenblick nach Luft.
    Zum Glück schwang das Kleid in der Taille weit aus, sodass wenigstens ihr Bauch nicht eingezwängt war. Ruth sah prüfend in den Spiegel. Eigentlich gefiel ihr der Schnitt. Er erinnerte sie an das Kleid, das Marilyn Monroe in Manche mögen’s heiß getragen hatte. Ruth hatte den Film vor einigen Wochen im Gobabis Hotel gesehen, als der Filmvorführer endlich einmal wieder in die Stadt gekommen war – ein Festtag für die ganze Gegend! Viele der Mädchen hatten sich für die Filmvorführung die Haare wie Marilyn in weiche Locken gelegt; Ruth aber hatte dies nicht einmal versucht. Ihr Haar war rot, kraus, hart wie die Borsten eines Handfegers und damit kaum zu bändigen. Und dennoch hatte sie sich, als sie am Abend aufgewühlt von der Filmvorführung nach Hause gekommen war, vor den Spiegel gestellt, ein wenig nach vorn gebeugt und zaghaft gesungen:
    I wanna be loved by you
Just you
And noboby else but you
I wanna be loved by you
Alone!
Boop, boop a doop
    Ruth hatte bei »you« die Lippen gespitzt und einen Augenaufschlag geprobt, der nicht von schlechten Eltern war. Und bei »Boop, boop a doop« den Körper geneigt und verführerisch mit den Brüsten gewackelt.
    Aber dann hatte sie gesehen, dass an der Hüfte ein Speckring durch das Kleid lugte und dass es über den Schenkeln ein wenig spannte. Ruth hatte auch das winzige Doppelkinn entdeckt, das sich offenbarte, wenn sie sang. Und schon
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