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Das Feuer der Wüste

Titel: Das Feuer der Wüste
Autoren: Karen Winter
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einer Stadtvilla mit schwarzen Dienstboten sei für sie angemessener. Immerhin betonte sie in Gesellschaft stets, dass sie aus gutem Hause stamme. Dass sie von Schwarzen großgezogen worden war, vergaß Rose Salden geflissentlich, sobald sie in dem verkehrte, was sie »die richtigen Kreise« nannte.
    Wie anders war dagegen das Leben auf der Schaffarm inmitten des riesigen Veldes! Das geräumige Wohnhaus von Salden’s Hill lag am Fuße eines Hügels und war im typischen Kolonialstil eingerichtet. Es gab einen Kamin, Möbel aus deutschem Eichenholz, helle, teppichbedeckte Dielen und gepolsterte Stühle und Sessel, die vor Kissen und Decken überquollen. In jedem freien Winkel standen Andenken aus Deutschland, einem Land, dem sich Rose sehr verbunden fühlte, obwohl sie es nie betreten hatte. Sie richtete sich sogar nach der deutschen Mode. Waren in Hamburg grüne Vorhänge mit silbernen Streifen modern, wurde das Haus im Herzen Namibias mit grün-silbernen Vorhängen bestückt. Trugen die Frauen in München das Haar bis zum Kinn und einen schwarzen Schönheitsfleck über der Oberlippe, stand auch Rose Salden am Morgen mit einem Kohlestift vor dem Badezimmerspiegel. Selbst die bisweilen hämischen Bemerkungen der Nachbarn, die ihr den »Fliegendreck« wegwischen wollten, konnten Rose davon nicht abbringen. Schließlich waren die Menschen um Salden’s Hill, wie Rose gern sagte, »Bauern ohne Geschmack und Stil«.
    Dass ihre Mutter im Haus stets für peinliche Ordnung und Sauberkeit sorgte, bekam auch Ruth immer wieder zu spüren. Sobald sie das Haus betrat, musste sie in Hausschuhe schlüpfen, und schon in der Waschküche hatte sie Arbeitshosen und Jacke auszuziehen. Denn wenn Rose schon nicht in der Stadt leben konnte, so hatte sie sich doch zumindest das Farmhaus so gemütlich und komfortabel wie möglich eingerichtet.
    Ruth saß am liebsten auf der Loggia. Auch jetzt, nach der Auseinandersetzung mit ihrer Mutter, zog es sie hierhin. Sie setzte sich auf den Boden, stützte wie so oft die Beine gegen eine der Säulen und genoss die Kühle der Steinmauern. Dazu liebte sie es, nach getaner Arbeit eine Flasche Hansa Lager zu trinken – namibisches Bier, das nach deutschem Reinheitsgesetz gebraut wurde –, die verdreckten Stiefel auszuziehen und neben sich ihre Border-Collie-Hündin Klette zu wissen, ihre beste und einzige Freundin.
    Ruth wandte ihren Blick vom Farmhaus ab und genoss die Aussicht auf das Farmland. Zu beobachten, wie ihre Schaf- und Rinderherden grasten, bedeutete für sie Glück, dann fühlte sie sich vollkommen ausgeglichen und zufrieden. Ihre Mutter hatte nie begriffen, warum Ruth das Leben auf der Farm so liebte, warum sie nichts anderes wollte – keine schicken Kleider, keine komplizierten Frisuren und schon gar nicht ein Haus in der Stadt. Ruth aber war es in der Stadt zu laut; es stank, und alle hatten es eilig. Hinzu kamen die vielen Autos, Leute, die nicht zurückgrüßten, wenn man ihnen Hallo sagte, und riesige anonyme Supermärkte.
    Ruths drei Jahre ältere Schwester Corinne hingegen genoss das Stadtleben. Anders als Ruth war sie das Abbild der Mutter, teilte deren Leidenschaften. Schon als kleines Mädchen liebte sie es, Prinzessin zu spielen und sich bedienen zu lassen, und sie schwelgte in Träumereien von weißen Spitzenkleidern, Schmuck und Dienern, die ihr jeden Wunsch von den Augen ablesen könnten. Später probierte Corinne gemeinsam mit der Mutter Frisuren aus, betrachtete die Modejournale, die mit wochenlanger Verspätung aus Hamburg nach Salden’s Hill geschickt wurden, und schwärmte stundenlang von Filmstars, Schlagersängern und deren aufregendem Leben.
    Während Ruth schon damals lieber draußen bei den Schafen war, feilte Corinne ihre Fingernägel. Half Ruth beim Scheren, informierte sich Corinne über die neuesten Wollkleider. Und während Ruth Lämmer auf die Welt holte, entwickelte Corinne bereits Pläne, auf welche der drei deutschen Privatschulen im Land sie ihre Kinder einmal schicken würde. Denn dass ihre Kinder keine Missionsschule, sondern eines der teuren Internate besuchen würden, stand für Ruths Schwester so fest wie der Kölner Dom, den sie nie gesehen hatte. Doch welches war das beste? Das in Karibib? Oder das in Windhoek? Oder war das in Swakopmund vielleicht das vornehmste?
    Corinne war ihrem Traum schon einen guten Schritt näher gekommen. Seit einigen Jahren war sie mit einem weißen Export-Kaufmann verheiratet und lebte in einer weißen Villa in
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