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Das Feuer der Wüste

Titel: Das Feuer der Wüste
Autoren: Karen Winter
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hinterherzujagen, hatte überdies eine Schwäche für schnelle Autos und gutes Bier. Und dass er sich noch nicht so recht mit dem Ernst des Lebens anfreunden konnte, war wohl auch ein Grund dafür, dass Miller’s Run noch immer von Naths Vater geleitet wurde. Der alte Miller wartete mit steigender Ungeduld darauf, dass sein Sohn so weit war, Verantwortung für sich und die Farm zu übernehmen. Hätte er Ruth nach ihrer Meinung gefragt, hätte er jedoch zur Antwort bekommen, dass er auf Naths Erwachsensein warten könne bis zum Jüngsten Tag.
    Als sie hörte, dass neben ihr mehrere junge Frauen tuschelten und ihr interessierte Blicke zuwarfen, hob Ruth die Hand und winkte lässig. »Hey.«
    »Hey, Ruth«, antwortete eine der Frauen.
    »Hey, Carolin.«
    »Du trägst ja ein Kleid. Nimmst du in diesem Jahr etwa nicht am Wettbewerb teil?«
    Ruth schüttelte den Kopf. Sie mochte Carolin, mit der sie in die Schule gegangen war, auch wenn sie wie die meisten anderen Mädchen in Ruths Alter von nichts anderem als von ihrem Verlobten sprach. Ein weiteres beliebtes Thema in der Runde der jungen Frauen waren die jungen Ehemänner und das aufregende Eheleben. Allein Ruth schien bei Gott nicht zu verstehen, was an einem elektrischen Küchenherd so besonders war, dass man deswegen gleich in Rudeln in die Stadt fahren und sich an den Schaufenstern die Nase plattdrücken musste. Sie hatte auch kein Verständnis für das Getuschel und Gewisper und wollte nicht wissen, welcher der Ehemänner ein guter Liebhaber war und welcher der ledigen Farmer eine lohnende Partie. Sie hatte andere Sorgen.
    »Nein«, erwiderte sie grimmig. »Mutter will es nicht. Sie wünscht sich, ich wäre wie Corinne. Am liebsten wäre ihr, ich heiratete einen ähnlichen Mann und zöge mit ihr und ihm in die Stadt in eine weiße Villa.« Ruth verdrehte demonstrativ die Augen.
    Carolin lachte. »Ja, das wäre wohl wirklich nichts für dich. Du heiratest doch erst, wenn die Verwaltung erlaubt, dass eine Farmerin ihren Leithammel ehelichen darf, was?« Sie lachte schallend, und die anderen Mädchen stimmten ein.
    Obwohl Ruth eigentlich Carolins Meinung war, fühlte sie plötzlich Wut in sich aufsteigen. »Was soll das denn heißen? Glaubst du vielleicht, ich bin nicht in der Lage, eine gute Ehefrau zu sein? Traust du mir ein trautes Heim nicht zu, oder was?«
    Carolin lachte noch immer. »Ich traue dir alles Mögliche zu, Ruth, aber eine treu sorgende Ehefrau wirst du im Leben nicht!«
    Ruth wandte sich ruppig ab und stapfte verärgert davon, ohne die jungen Frauen eines weiteren Blickes zu würdigen. »Pfft«, knurrte sie zwischen den Zähnen und warf den Kopf trotzig zurück. »Was wissen die denn von der Ehe? Gänse, allesamt! Ich brauche jetzt erst einmal ein Bier.«
    Auf halbem Wege zum Bierstand hörte sie durch das Stimmengewirr, dass gerade der Sieger des Schafstemmwettbewerbs verkündet wurde. Sie drehte sich um. Offensichtlich hatte wider Erwarten doch Nath gewonnen, denn er riss die Arme hoch und reckte die Faust zum Zeichen des Sieges hoch.
    Ungläubig sah Ruth auf die Szenerie. »Und, Alex, wie viel Kilo hat Nath gestemmt?«, fragte sie einen alten Farmer, der neben ihr stand.
    Der Alte lachte. »Hast wohl Angst um deinen Rekord, was?«
    »Ach was!«, sagte Ruth verächtlich. »Schafestemmen ist was für Kinder. Aus dem Alter bin ich wirklich raus. Trotzdem will ich wissen, was Nath geschafft hat.«
    »Meine Ohren sind nicht mehr so gut, aber ich denke, ich habe da was von fünfzig Kilo gehört.«
    »Fünfzig Kilo? Wirklich? Nicht mehr?«
    »Yeap.«
    Als der Alte gegangen war, betrachtete Ruth noch immer nachdenklich Naths Muskeln. Dann zuckte sie gleichgültig mit den Schultern und machte sich auf den Weg zur Terrasse, wo sie ihre Mutter weiterhin vermutete.
    »Hey, Ruth!«
    Ruth drehte sich um und ließ ihren Blick durch die Menge schweifen, um zu sehen, wer nach ihr gerufen hatte. Der Farmerwettbewerb war eine der wenigen Gelegenheiten im Jahr, alle Nachbarn zu treffen, denn die Farmen lagen verstreut, und manchmal musste man zehn Kilometer reiten, um das nächste Haus oder das nächste Telefon zu erreichen. Besuche unter Nachbarn waren entsprechend selten, denn eine Farm machte viel Arbeit, und Zeit war kostbar. Kein Wunder also, dass wichtige Gespräche unter den Nachbarn meist auf dem jährlichen Rodeo oder während des Farmerwettbewerbs geführt wurden.
    »Was ist los, Tom? Willst du dir wieder meinen Hammel ausleihen?«
    Tom antwortete nicht,
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