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Das Feuer das am Nächsten liegt

Das Feuer das am Nächsten liegt

Titel: Das Feuer das am Nächsten liegt
Autoren: Cherry Wilder
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steckte auch die kleine abgebrannte Fackel des verloschenen Streichholzes in den Boden.
    Der Abgesandte wandte sich ab und stellte sich an das Grab, das leer war, an sein eigenes Grab, das immer noch ein verblaßtes Runenband von Gwell Nu und ein zweites Runenband aus roter Seide schmückten, das von Tilje Paroyan stammen mußte. Als wir vor dem Grab standen, tauchten zwei Gestalten hinter den Hütten auf und kamen langsam auf uns zu. Sie stellten sich an das andere Ende des Grabes: die eine war Tiath Avran Pentroy, der Große Älteste selbst, und die zweite, die ihn begleitete, so wie ich Tsorl, war Ammur Ningan.
    „Was habt Ihr uns zu sagen, Abgesandter?“ fragte Tiath. „Ihr habt auf dieses Botschaftsband einen Namen gesetzt, den ich bisher nur in den Berichten der alten Hoheit Relrin gesehen habe.“
    „Laßt Ammur, Eure Oberhofmeisterin, den Namen aussprechen, so wie er in den Berichten steht“, sagte Tsorl mit merkwürdig entschlossener Stimme.
    „Ich habe die Berichte selbst gewebt“, sagte Ammur. „Der Name lautet Orath Sorell, er war ein junger Lehrer und Gelehrter, den Elbin Tsatroy angestellt hatte, um ihre beiden Kinder, Teil und Geran, zu betreuen; angeblich soll er mit anderer Hausdienerschaft nach Sarunin davongelaufen sein. Aber daran gibt es Zweifel …“
    „Wo war Elbin damals?“ fragte Tiath mit geschärftem Interesse.
    „Auf Wanderschaft“, sagten Tsorl und Ammur im Chor.
    Tsorl verstummte und ließ die Ningan weiterreden.
    „Auf Wanderschaft nach Norden“, sagte Ammur. „Die Hoheit wurde längst vor der sogenannten Letzten Schlacht vom Wahnsinn befallen.“
    „Wenn die Zeiten friedlicher für ihren Clan gewesen wären, hätte Elbins Wahnsinn nur als Abwegigkeit bezeichnet werden können“, sagte Tsorl.
    „Habt Ihr sie damals gesehen?“ fragte Ammur. „Sie gab kaum ein Wort von sich.“
    „Manche Einsiedler legen ein Schweigegelübde ab“, sagte Tsorl.
    „Sie war nicht bereit, ihre Sachen in Ordnung zu bringen!“ sagte Ammur entrüstet. „Sie war nicht bereit, an dem Streit über die Ländereien oder an der Vorbereitung der Schlacht teilzunehmen. Sie zeigte wenig Gram über den Tod ihrer eigenen Kinder.“
    „Dafür gab es einen Grund“, sagte Tsorl. „Ich kann ein wenig über diese traurige Zeit berichten.“
    „Ich war zur Zeit der Sarunin-Katastrophe erst zwei Jahre nach meinem Erscheinen“, sagte Tiath. „Woher habt Ihr dieses Material? Ihr seid doch mit mir gleichaltrig.“
    „Mit Verlaub, Hoheit“, sagte Tsorl, „ich bin sieben Jahre jünger als Ihr …“
    Es war kaum zu glauben.
    „Sprecht, Abgesandter!“ rief die Ningan. „Wie verhält es sich mit Orath Sorell? Habt Ihr ihn gesehen oder seine Familie? Wißt Ihr, wo er gelogen hat?“
    „Ich werde alle Fäden zusammenweben“, sagte Tsorl mühsam und widerwillig. „Das ist etwas, das ich mein Leben lang nicht zu tun geschworen habe, aber jetzt werde ich es trotzdem tun. Orath Sorell, der sogenannte Lehrer Sorell, war weder ein Vasall, noch ein Hausdiener, sondern ein Bürger aus Tsagul. Dennoch war seine Zuneigung zu den zwei ihm Anvertrauten, der jungen vierzehnjährigen Hoheit Teil und ihrem jüngeren Verwandten Geran, sehr tief. Das Glück des Feuer-Clans hatte Ebbe, ehe er sich entschloß, in den Krieg zu ziehen …“
    „Es freut mich, Euch das sagen zu hören“, warf Tiath ein. „Die Pentroys sind immer für seinen Untergang verantwortlich gemacht worden.“
    „Die Clans der Pentroys und der Dohtroys hatten bei dem Untergang der Tsatroys immer ihre Hand im Spiel“, sagte Tsorl unverfroren. „Die Tsatroys waren immer ein armer Clan mit schrumpfendem Land; eine Witwe des alten Krieger-Clans bewachte die Feuerstadt und zeigte wenig Interesse für Handel oder Grubenförderung. Ihre fünf Familienzweige lebten gedrängt in dem Alten Palast. Elbin war auf ihrer Wanderschaft weit weg, als die törichte Entscheidung fiel, zu den Waffen zu greifen. Sorell hielt die zwei Kinder in Elbins Namen zurück, sonst hätten sie sich mit ihren Vettern und Basen auf den Marsch gemacht.
    Als die Nachricht von der Pest und dem Opfer in Sarunin eintraf, war das ein Signal für die geringe Dienerschaft, die geblieben war, entweder zu sterben oder diesen verfluchten Clan zu verlassen. Orath Sorell und seine zwei Schützlinge saßen allein in dem Palast, umringt von Leichen und leeren Truhen, die treulose Diener geplündert hatten. Er sandte Elbin Tsatroy eine Botschaft …“
    „Wie denn?“ fragte Tiath
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