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Das Feuer das am Nächsten liegt

Das Feuer das am Nächsten liegt

Titel: Das Feuer das am Nächsten liegt
Autoren: Cherry Wilder
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Tsorl-U-Tsorl Platz nahm.
    „Was habt Ihr vor, Abgesandter?“ fragte er leise. „Ich weiß, daß Ihr den Harfner daran weben hießet. Warum die ganze Werbung für den Feuer-Clan?“
    „Ein treffendes Wort: Werbung“, sagte Tsorl, ohne daß seine Miene irgend etwas verriet. „So könnten wir Sarunin für uns gewinnen.“
    Ich spürte, wie sich mir das Haar im Nacken sträubte; ich wußte, daß etwas sich anbahnte, und empfand Angst und Aufregung. Tsorl rief mich beiseite, als ich in dem blauen Zelt mit Ablo, Karin und Lisa zu Abend aß.
    „Es ist an der Zeit, daß du Urnat Avran einen Besuch abstattest“, sagte er.
    „Ich bin schon mit Karin-Ru bei ihm gewesen. Er ist schon fast wieder gesund.“
    Tatsächlich hatte der Unfall den Zwerg nicht gezügelt; er war voller Sprünge und übler Streiche wie eh und je. Dorn Brinroyan verstand nicht, wieso Karin und ich mit so einer Kreatur sprechen konnten; er hatte einmal eine Tracht Prügel von Urnat verabreicht bekommen, was er nicht zu vergessen vermochte.
    „Geh nochmal hin“, sagte Tsorl. „Ich muß dem Großen Ältesten ein Botschaftsband von höchster Geheimhaltung zukommen lassen. Du übergibst es nur Ammur persönlich, keinem anderen. Dieser Besuch wird der Vorwand sein, in die Familiengemächer des Reisepalastes zu gelangen.“
    Ich zögerte; ich hatte keine Lust, der Ningan je wieder gegenüber zu stehen. Dann sah ich, daß Tsorl, weit davon entfernt, ein wendiger Politiker zu sein, sehr besorgt war.
    „Was ich tun muß, ist wesentlich schwieriger, als ich es mir vorgestellt hatte“, sagte er. „Erledige diesen Auftrag für mich, Yolo Horn.“
    „Dann werde ich es tun.“
    Ich versorgte mich mit etwas Schokolade aus dem Proviant des Luftschiffs Silberreiher und brachte sie Avran Urnat mit. Das Glück war von mir angetan. Nachdem ich eine Weile, ja sogar einen netten Besuch, in dem Zimmer des Zwerges verbracht und Obals Musik, sowie Urnats Geplapper zugehört hatte, traf ich die Ningan im Gang. Sie blickte bedrückt drein; ihre Gunst bei ihrem Lehnsherrn schwankte; sie nahm das Botschaftsband wortlos entgegen.
    Als ich aus dem Zelt trat, stellte ich fest, daß es inzwischen dunkel geworden war; der Abgesandte wartete neben dem Luftschiff auf mich.
    „Du mußt noch etwas anderes für mich tun“, sagte er. „Du mußt Zeugin bei einem gewissen Handel sein. Das ist geheimer als der Tod, geheimer als unsere Flucht.“
    „Ich werde es tun, Abgesandter.“
    „Triff mich beim Untergang von Esder, vor Aufgang der Großen Sonne in der zweiten Einfriedung.“
    In dieser Nacht schlief ich in dem blauen Zelt, denn es war leichter für mich, dort meinen Platz zu verlassen, ohne jemanden zu wecken. Ich wunderte mich sehr über die Machenschaften des Abgesandten; ich wunderte mich, warum er nicht seine alten Gefährten für dieses merkwürdige Hin und Her benutzen konnte. Aber ich setzte mein Vertrauen in Tsorl-U-Tsorl; ich erinnerte mich, daß Vertrauen und Glauben zerbrechliche Dinge waren. Ich stand in der letzten Stunde von Esder auf und schlich mich auf meinen eigenen Geheimwegen in die Bara-Plantage.
    Der Abgesandte kam aus den Bäumen, und ich dachte, daß er vielleicht, in seine Gedanken vertieft, dort die ganze Nacht verbracht hatte; sein Gesicht war so dunkel wie die Baumschatten. Er machte sich auf den Weg, und ich folgte ihm. Wir stießen auf einen Wachtposten, der uns das Tor zur ersten Einfriedung aufhielt; ich folgte immer noch, und wir gelangten rasch zu den Krankenhäusern und gingen an ihnen vorbei. Wir kamen zu der Sondereinzäunung und dem Friedhof dahinter, diesem grauen verlassenen dem Meer abgewonnenen Streifen Land.
    Es stand ein zweiter Wachtoffizier beim Tor der Sondereinzäunung, aber der Friedhof selbst schien leer zu sein. Der Abgesandte ging zuerst zum Grab von Elbin Tsatroy und beugte sich, wobei er sich auf seinen Ringgeher stützte, darüber. Dann holte er zu meiner Überraschung einen Kerzenleuchter und eine kleine Feuerdose aus Metall hervor, um der Toten zu huldigen, wie es Sitte in der Feuerstadt war. Ich übernahm den Kerzenleuchter – der ein echter kostbarer Wachsleuchter von einem Kerzenleuchterbaum war und keine billige Nachahmung – und schwenkte ihn neben der Feuerdose. Ich hatte in meiner Ärmeltasche jene nützliche Streichhölzer aus den Versorgungspaketen des Luftschiffs Silberreiher. Ich kniete nieder und stellte den Kerzenleuchter auf den alten Grund des Grabes und zündete ihn mit einem Streichholz an. Ich
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