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Das Festmahl des John Saturnall

Das Festmahl des John Saturnall

Titel: Das Festmahl des John Saturnall
Autoren: Lawrence Norfolk
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Meisterkoch?«
    »Master Saturnall?«, rief Simeon. Dann wendete er sich an den nächsten Küchenjungen. »Einen Napf! Einen Napf für Master Saturnall!«
    Der Name brachte Bewegung in die Küchenmannschaft. Mister Bunce ergriff John an den Armen und fragte ihn, ob er wirklich zurückgekommen sei. Mister Stone grüßte aus der Spülküche. Als John sich nach Mistress Gardiner erkundigte, erfuhr er, dass sie vor zwei Jahren verschieden war. Mister Pouncey war ihr kaum eine Woche später gefolgt. Adam Lockyer hatte Ginny geheiratet und war nun für die Ländereien zuständig.

    »Für das, was davon geblieben ist«, sagte Philip grimmig, als er sich mit John zum vertraulichen Gespräch setzte. »Den Großteil hat Piers allem Anschein nach seinem Weinhändler überschrieben.«
    Alf war in den geistlichen Stand eingetreten und war nun Priester in Callock Marwood, Peter Pears kümmerte sich um die alten Obstgärten, und Hesekey war für das Gesinde zuständig. Die Gesichter wirbelten vor John vorbei, alte und neue durcheinander. Während das Frühstück serviert wurde, umtönten ihn die vertrauten Küchengeräusche. Er ging mit seinem Napf in die Vorbereitungsabteilung und setzte sich zu Mister Bunce, dessen Küchenjungen in ehrfürchtigem Schweigen um ihn herum saßen. Als er den letzten Rest Porridge aus seinem Napf löffelte, sah er, dass alle Köche und Hilfsköche ihn beobachteten.
    »Ein vorzügliches Gericht«, sagte er entschieden. »Ein Gericht, auf das jeder Koch stolz sein kann.«
    Alle begannen zu lächeln. Und als sie sich wieder ihren Aufgaben zuwendeten, sah John Gemma, die im Gang wartete.
    »Ihre Ladyschaft will dich empfangen.«

    Das fettige Rouge auf ihren Lippen roch nach Schweineschmalz. Das schwüle Parfum, das sie aufgetragen hatte, stieg ihm in die Nase. Sie packte ihn und stieß ihn gegen die Wand. Er spürte ihre Körperhitze durch ihr Kleid. Der Moschusgeruch des Parfums wurde immer schwerer und süßlicher. Und dann verwandelte sein Zorn sich in Begehren. Das Begehren, das er für die Hure in der Scheune empfunden hatte. Ihre Hände rissen an seiner Kleidung, als er nach ihren Röcken griff. Sie drängte ihn, als er sie nahm. Als wollte sie so grob von ihm genommen werden. Dann waren sie in einem wortlosen Kampf ihrer Körper gefangen.
    Als es vorbei war, kleideten sie sich schweigend an. John blickte noch einmal auf die alten Bilder. Marpot hatte sie entdeckt, das begriff er nun. Marpot hatte den Gips mit seinem Hammer abgeschlagen und war auf seinen alten Hexenjäger gestoßen, der ihn dort erwartete. Nicht
verwunderlich, dass er weggelaufen war. Coldcloak war zu Callock geworden. Callock war zu Fremantle geworden, alle miteinander über Generationen hinweg bis zu Sir William durch ihren Eid gebunden. Der Herr des Tals von Buckland hatte natürlich gewusst, wen er holen lassen musste, als seine Frau darniederlag. Und Johns Mutter war gekommen. Sie hatte Lucretia entbunden. All das ging ihm durch den Kopf, als die junge Frau ihn ansah, unergründlich hinter ihrer Maske aus dick aufgetragenem Puder und Rouge. Und dann war unbändiger Zorn in ihm aufgestiegen. Er hatte sich von ihr abgewendet. Er hatte die Tür mit einem Fußtritt geöffnet und war die Treppe hinuntergestolpert.
    Nun klapperten Gemmas Schuhe wieder vor ihm einher und führten ihn durch das heruntergekommene Haus. Als John den Gang zu Sir Williams Audienzzimmer entlangging, spürte er, wie sein Herz schneller schlug. Die Wirtschafterin klopfte und öffnete dann die Tür.
    Lucretia saß an dem Tisch aus Walnussholz, von Papierstapeln und Rechnungsbüchern umgeben. Einzelne Fältchen zeigten sich auf ihrer Stirn. Ein schlichtes Kleid war bis zum Hals zugeknöpft. Marpots Schlag zeichnete sie noch immer; ihre Nase war in der Mitte gebrochen. Ihre dunklen Augen beobachteten ihn.
    »Ihr seid zurückgekehrt, John Saturnall.«
    Unzählige Male hatte er sich diesen Augenblick ausgemalt. Doch ihr Gesicht war in seiner Vorstellung eine Maske gewesen, undurchdringlich wie in jener Nacht.
    »So ist es, Euer Ladyschaft.« Er spürte, wie Gemma sich hinter ihm nervös bewegte. »Darf ich Euch bitten, dieses Gespräch mit mir allein zu führen?«
    »Ich habe keine Geheimnisse vor meiner Wirtschafterin, Master Saturnall.«
    Wohlan denn, dachte John. Er stand vor ihr in seinen vornehmen Kleidern und Stiefeln. Und dennoch war ihm zumute wie bei jenem ersten Mal, mit Abels schmutzigem blauen Überrock um seine knochigen Schultern.
    »Ich habe
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