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Das Festmahl des John Saturnall

Das Festmahl des John Saturnall

Titel: Das Festmahl des John Saturnall
Autoren: Lawrence Norfolk
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gesagt. Sie will alles mit eigenen Händen anrichten, sagt sie. Obwohl ...«
    »Obwohl?«, half John nach.
    »Obwohl die Wahrheit so aussieht, dass sie nicht einmal weiß, wie herum man einen Kochlöffel hält.«
     
    Mit Schnee sei bald zu rechnen, warnte Philip John. Sie würden sein Pferd gesattelt bereithalten. Denn sonst wäre er bis zum Frühjahr in Buckland festgehalten. Die Tage vergingen. Am Morgen des Feiertags wusch John sich über dem Waschgeschirr, das eines der neuen Dienstmädchen gebracht hatte, und kleidete sich sorgfältig an, knüpfte Bänder und schloss Spangen. Als er sich mit dem Kamm durch die Haare fuhr, spürte er die buckelige Narbe, die ihm die Musketenkugel hinterlassen hatte. Philip erschien in der Tür.
    »Schmuck genug für einen König«, sagte Philip, als er John beifällig betrachtete und seinen Kragen zurechtzupfte. »Was soll das lange Gesicht? Läuft dir nicht bei der Vorfreude auf Lady Lucretias Kochkunst das Wasser im Mund zusammen?«
    John saß wartend da, zählte Sekunden und Minuten und erwog immer wieder aufs Neue, was er ihr sagen wollte. Ihr hartnäckiges Schweigen in jener Nacht. Dass sie sich für Piers entschieden hatte. Inzwischen glaubte er es zu verstehen. Und zuletzt erklang die Glocke, die zum Essen rief. Er stand auf und ging durch das Haus. Die Servierdiener, denen er begegnete, berührten ihre Mützen als Zeichen der Ehrerbietung. Die
Dienstmädchen knicksten. Als er den Hof mit dem Ziergarten durchquerte, sah er zu einem Himmel von düsterem und stumpfem Grau empor. Als er die Treppe hinaufstieg, fühlten seine Beine sich wie Blei an.
    Die Sonnengalerie war mit Tapisserien behängt. Er blickte zu den Fenstern hinaus und sah die Hecken des Ostgartens. Dann erhaschte sein Blick eine Bewegung. Eine kleine Gestalt schälte sich aus einer Hecke; wegen der Kälte hatte sie einen Schal um den Hals geschlungen. John sah zu, wie Will Callock über die nächste Hecke sprang und dann über den Rasen lief. Plötzlich tauchte ein alter Mann auf. Mister Motte rief etwas und humpelte hinter dem Jungen her.
    »Lauf«, flüsterte John.
    Der Junge rannte davon und ließ den alten Mann bald zurück. John lächelte und sah hinter Will her, bis der Junge aus seinem Blickfeld entschwand, und dann betrachtete er den Ostgarten. Die Gewächshäuser standen noch, wie er sah, auch wenn ihre Verglasung reparaturbedürftig war. Dort würden Ananas und Pfirsiche wachsen, dachte er. Fette Traubenbüschel und Dattelpflaumen. Am Himmel ballten die Wolken sich immer bedrohlicher. Der äußere Hof würde am nächsten Tag geschlossen werden, hatte Philip ihm gesagt. Die Stallburschen würden sein Pferd bereithalten, wie es vereinbart war. Er sah die Galerie entlang zu der Tür an ihrem Ende. Unwillkürlich begann sein Herz zu pochen.
    Das Zimmer sah unverändert aus bis auf den Umstand, dass die Vorhänge zurückgezogen und festgebunden waren und dass alle Gegenstände abgestaubt und gereinigt worden waren. Im Kamin brannte ein Feuer, und vor dem Kamin standen zwei Stühle. Der kleine Tisch war jedoch nur für eine Person gedeckt. Als er zum Bett blickte, hörte er das Geräusch des Riegels an der Tür zur Treppe, die zur Küche führte. Was wäre gewesen, wenn er nicht durch die Tür gestürzt und vor ihr auf allen vieren gelandet wäre? Als er aufblickte und ihr spitzes Gesicht zu ihm heruntersah ... Schritte ertönten.
    Lucretia trat ein, ein Servierbrett in Händen. Sie hatte ihre Haare zu Zöpfen aufgesteckt, wie er sah. Ihr Kleid war so schlicht wie zuvor. Er verbeugte sich leicht.

    »Guten Tag, Lady Lucretia.«
    »Guten Tag, Master Saturnall.«
    Ein blumiger Duft umgab sie. Rosenwasser, wie er bemerkte. Sie stellte das Servierbrett auf dem Bett ab und begann die Gerichte auszuteilen. Mit einem Krüglein in der Hand wendete sie sich mit ausdrucksloser Miene zu John um.
    »Setzt Euch.«
    John setzte sich.
    »Das Festmahl begann mit gewürztem Wein«, sagte sie. »Wenn ich mich recht entsinne.«
    John nickte, »Mit Safran, Zimt und Muskatblüte gewürzt«, sagte er. »Und mit gerösteten Datteln, Euer Ladyschaft.«
    »Euer Gedächtnis ist bemerkenswert, Master Saturnall«, antwortete sie, als sie einschenkte. »Aber meine eigene Erinnerung ist eine andere, was dieses Getränk betrifft.«
    Er trank; es war Wasser; insgeheim musste er lächeln.
    »Auf den Wein folgte ein Gericht aus gehacktem Fleisch, glaube ich«, fuhr Lucretia fort. »Aus Schwanenfleisch? Dann Gans und Ente ...«
    Er
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