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Das Festmahl des John Saturnall

Das Festmahl des John Saturnall

Titel: Das Festmahl des John Saturnall
Autoren: Lawrence Norfolk
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Master William kennengelernt.«

    Er sah sie zögern.
    »Er ist Euer Sohn«, sagte Lucretia dann ohne Umschweife.
    John starrte sie an. Doch Lucretia blickte ihn ausdruckslos über die Papierstapel hinweg an.
    »Wusste das Piers?«, fragte er schließlich.
    »Wir haben nie darüber gesprochen.«
    Vor seinem inneren Auge sah er den Jungen. Auf einmal verspürte John den Wunsch, wieder neben ihm zu stehen und ihm zu zeigen, wie er den Arm zu halten hatte.
    »Er wird das Gut erben, Euer Ladyschaft?«
    »Das, was davon bleibt, wenn Piers’ Gläubiger bezahlt worden sind.« Sie richtete einen eisigen Blick auf John. »Warum seid Ihr zurückgekommen?«
    John erinnerte sich daran, wie sein Herz bei der Nachricht von Piers’ Tod schier ausgesetzt hatte. Und an die Wochen des Zauderns und Zögerns. Bewirkt durch ihr Schweigen in jener Nacht vor langer Zeit. Warum hatte sie geschwiegen? Diese Frage lag ihm nun auf der Zunge. Doch er sah die Frau an, die steif hinter dem Tisch aus Walnussholz saß. Nun war nicht die richtige Zeit. Er zwang sich zu einem Lächeln.
    »Zu meinem Bedauern muss ich sagen, Euer Ladyschaft, dass ich der Liste Eurer Gläubiger einen weiteren Namen hinzufügen muss. Den meinen.«
    Sie hob eine Augenbraue. »Was kann mein verstorbener Ehemann Euch schuldig sein, Master Saturnall? Abgesehen von einem Ritt auf einem gestohlenen Pferd.«
    »Es ist nicht seine Schuld, Euer Ladyschaft. Sie stammt aus den Zeiten, lange bevor Lord Piers sich zum Herrn von Buckland machte. Aus den Zeiten, bevor es ein Gutshaus gab und als Buckland noch Belliccas Land war. Euer Vorfahre hat meiner Vorfahrin etwas gestohlen.«
    Sie kniff die Augen zusammen. »Was soll das sein? Was soll ich Euch schulden?«
    Er beobachtete sie über den Tisch voller Papiere hinweg.
    »Euer Ladyschaft schuldet mir ein Festmahl.«

     
    Gemma bereitete ihm eine Bettstatt in Mister Pounceys einstigen Gemächern. Es gebe so viele leere Zimmer, wie man sich nur wünschen könne, sagte sie, seitdem es nur noch so wenig Bedienstete gab. Er aß in der Küche mit den Köchen.
    »Was Piers nicht vertrunken hat, hat er für Kleidung und Gefährte vergeudet«, sagte Simeon zu John, als sie mit ihren Löffeln die Zinnteller abkratzten. »Die Keller sind so gut wie leer. Seit letztem Sommer habe ich keine Zitrone zu sehen bekommen.«
    »Wie in den alten Zeiten«, sagte John. »Dann wirst du wohl bald Paradiesbrot backen.«
    »Alles lieber als das«, sagte Simeon schaudernd. Am anderen Ende des Tischs stieß einer der Küchenjungen seinen Tischnachbarn an. John hörte die beiden flüstern. Dann meldete der Junge sich zu Wort.
    »Ist es wahr, Master Saturnall, dass Ihr für den früheren König gekocht habt?«
    »Einmal habe ich das getan«, antwortete John. »Und ich habe auch für ihn gekostet.«
    »Und habt Ihr dem König der Türken ein Festmahl bereitet?«
    »Ihm nicht. Aber ich habe einmal ein Schaf für einen Kalifen gebraten. Sehr mager, diese Berberschafe. Man muss sie den ganzen Tag begießen.«
    »Und der König von Frankreich, Master Saturnall? Ist das wahr?«
    »Sahne und noch mehr Sahne«, antwortete John. »Die Gelees sind so fest, dass man sie mit einer Damaszenerklinge zerteilen muss. Einmal blieb der Zerteiler mittendrin stecken ...«
    Er erzählte den Küchenjungen tolldreiste Geschichten und unterhielt sich mit Philip, mit Adam, mit Mister Bunce und Ben Martin. Als es kälter wurde, schoben sich düstere Wolkenbänke über die Tiefebene. John wanderte in langen Schleifen um das Haus, trödelte bei dem alten Brunnen und fragte sich, ob der Junge, dessen Ellbogen er gehalten hatte, wiederkommen und ihn ansprechen würde. Aber Will Callock war immer nur in der Ferne zu sehen, wenn er über ein Gartenstück flitzte oder einen Hügel hinauflief. Als John in die Küche zurückging, wanderte sein Blick zu dem Durchgang, der an Backstube und Vorratskammer
vorbei in die Tiefe des Untergeschosses führte, zu den Räumen, in denen Scovell gewohnt und seine Mutter gearbeitet hatte. Gemma hatte ihm erzählt, dass Lucretia derzeit dort herumwerkele. Wenn er sein Fest haben will, hatte ihre Herrin gerufen, nachdem John seinen Wunsch ausgesprochen hatte, dann soll er es haben. Und zwar am Tag des heiligen Andreas.
    »Sie will die Gerichte mit eigener Hand zubereiten«, hatte Gemma ihm verraten. »Ich habe ihr Hilfe angeboten, aber sie wollte keine. Master Simeon auch, und den hat sie auch abgewiesen. Nicht einmal ein Spüljunge dürfe ihr helfen, hat sie
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