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Das Fest der Schlangen

Das Fest der Schlangen

Titel: Das Fest der Schlangen
Autoren: Stephen Dobyns
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verringert. Früh am Abend ist die achtzigjährige Florence Pritchard dahingeschieden, und das hat die Übrigen in eine morbide Wachsamkeit versetzt – oder doch wenigstens diejenigen, für die Wachsamkeit noch eine Option ist.
    Margaret Hanna hat Dienst, aber es ist schwer zu sagen, ob sie wach ist oder schläft, wie sie so am Computer im Erdgeschoss vor ihrer Facebook-Seite nickt. Nein, sie döst und erlebt noch einmal einen Augenblick im Sommer am Strand: Teilweise von einem Handtuch bedeckt, hat sie eine Hand in Marty McGuires Shorts geschoben. Sie wacht auf und ermahnt sich, einen Blick zu Herman Flynn hineinzuwerfen, dem ehemaligen Eigentümer des Möbelhauses Flynn, der vielleicht die Nacht nicht überstehen wird, der arme Mann. Doch dann geht’s wieder zurück zu Martys Shorts.
    Viel ist nicht los um halb drei morgens. Die 24 -Stunden-CitGo-Tankstelle ist offen, aber Shirley O’Rourke schläft hinter der Kasse. Auf dem Polizeirevier döst der diensthabende Officer, Joey Manzetti, an seinem Computer. Doch selbst bei Tage neigt Brewster zur Verschlafenheit, zumindest in den Monaten, in denen die Sommerhäuser verschlossen sind. Etliche Einheimische fahren zur Arbeit nach Providence, andere nach Wakefield und wieder andere zur Universität nach Kingston.
    Heutzutage arbeiten relativ viele zu Hause und sind nur per Computer mit ihrem Job verbunden, und ein paar kleine Fabriken gibt es auch noch: Crenner Millwork Corp. machen Fenster, Türen und Schränke von hoher Qualität, die sie überall in Neuengland und New York vertreiben. Jack Crenner beschäftigt in guten Zeiten fünfzig Leute. Mercurio Inc. stellen Schallschutzmaterialien her und sind auch als Bauunternehmen tätig. Duke Power Inc. bauen, überholen und reparieren Elektromotoren – mit dynamischem Auswuchten, Vibrationsanalyse, laserunterstützter Ausrichtung und dergleichen, und sie unterhalten einen 24 -Stunden-Notdienst. Herb Fiore hat heute Abend Bereitschaft, aber im Augenblick schläft er auf einem Feldbett im Hinterzimmer. Donner’s Metalworks ist Zulieferer für Heizungskessel und Klimaanlagen, Jersey Jackets & Caps sind auf Sportkleidung spezialisiert, Mitchel auf Plastikextruder und Hochdrucklaminate. Es gibt sogar eine kleine Fabrik für Whirlpools, Saunen und Badewannen. Ja, man findet eine ganze Reihe von Unternehmen in Brewster, auch wenn sie alle nicht besonders gut gehen.
    In der Stadtmitte ist alles geschlossen. Die beiden Restaurants bieten nur bis neun Uhr warme Küche, am Wochenende bis zehn. Die Apotheke, CVS Pharmacy, schließt um zehn, die Bars schließen um Mitternacht. Die einzige Menschenseele weit und breit ist Ronnie McBride, der zusammengerollt im Eingang von Crandall Investments liegt und schläft, was mindestens fünfmal pro Woche vorkommt, seit seine Frau vor zwei Jahren an Krebs gestorben ist. Ein Streifenpolizist weckt ihn um halb drei, wenn er auf seiner Runde hier vorbeifährt. Heute Nacht wäre das Harry Pasquale, aber heute Nacht wird Harry anderswo beschäftigt sein.
    Seit die größeren Geschäfte – McGafferty’s Department Store, Mills Men’s Shop und der ganze Rest – zugemacht haben, geht es mit der Innenstadt von Brewster stetig bergab, denn die Ladenketten siedeln sich in den Einkaufsmeilen am Rand der Route 1 an. Etwa alle sechs Monate wird ein neues Geschäft eröffnet, macht jedoch meist nach weniger als einem Jahr wieder zu. Zwei Kommissionsläden, zwei Frisiersalons, ein Sonnenstudio, eine Kunstgalerie, ein Coffeeshop namens Brewster Brew, ein Lokalblatt namens Brewster Times & Advertiser , ein Frühstückscafé namens Betty’s Breakfast, eine Karateschule (ich habe vergessen, wie sie heißt), Geschenk- und Souvenirläden in wechselnder Zahl, die Bibliothek, Rudy’s Pizza – und das ist es auch so ungefähr. Vier Kirchen und, ach ja, vier Bars, eine Bowling-Bahn und das Brewster Inn, ein Vierzig-Zimmer-Motel, in dem die Hälfte der Zimmer bis zum 1 . Mai komplett eingemottet werden. Bis vor fünf Jahren hieß es noch Brewster Motel, doch dann entschied die Eigentümerin, Melody Baker, sie könne die Preise um zehn Prozent anheben, wenn sie den Namen in Brewster Inn änderte. Jetzt hat sie vor, ihn in Brewster Arms zu ändern. Der Nachteil eines Namenswechsels besteht darin, dass sie die Zierverkleidungen mit einer frischen Schicht weißer Farbe anstreichen muss, weil das dringend nötig ist. Ein frisches Geranienbeet würde auch nicht schaden.
    Heute Nacht hat sie drei Gäste, wobei zwei der
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