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Das Fest der Schlangen

Das Fest der Schlangen

Titel: Das Fest der Schlangen
Autoren: Stephen Dobyns
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Zimmer allerdings für den ganzen Monat gebucht sind. Einer der Gäste ist übrigens erst vor einer halben Stunde gekommen, mit dem Auto aus Boston. Sein Name ist Ernest Hartmann – er mag es nicht, wenn man ihn Ernie nennt –, und er ist Versicherungsdetektiv, aber jetzt hat er in seinem Büro erzählt, er mache Urlaub. In Wahrheit macht er fast niemals Urlaub, ein Umstand, der bei seiner Ehescheidung vor sechs Jahren eine große Rolle gespielt hat. In Boston hat er jedoch vor Kurzem einen Mann befragt, der erfolglos seine eigene Boutique niedergebrannt hatte, um auf diese Weise mit einem kleinen Schuldenberg fertigzuwerden. Von Hartmann zur Rede gestellt, erzählte der Mann ihm von ein paar Leuten in Brewster – Kidnapper oder Sektenanhänger oder Neopaganisten, das wurde nicht ganz klar, aber der Bruder des Mannes wusste darüber Bescheid, und er meinte, wenn Hartmann sich dafür interessierte – und das sollte er –, dann könnte er mit der Staatsfeuerwehr übereinstimmend erklären, es habe sich bei dem Brand um ein zufällig entstandenes Feuer gehandelt. Er hatte Hartmann eine Messingmünze mit einem fünfzackigen Stern in einem Kreis auf der einen Seite und einer auf den Hinterbeinen stehenden Ziege auf der anderen Seite gegeben. Ein paar buchstabenähnliche Zeichen waren darauf auch zu sehen, obwohl Hartmann sicher war, dass sie keiner westlichen Sprache entstammten. Einen Namen hatte der Mann ihm außerdem genannt, und wenn es ihm gelänge, aus diesem Tipp Profit zu schlagen, könnte er möglicherweise die Versetzung nach Los Angeles bekommen, wo seine beiden Kinder, neunjährige Zwillingsmädchen, mit seiner Ex-Frau wohnten. So fragwürdig seine derzeitige Mission auch sein mochte, sie konnte sich doch lohnen, wenn er dadurch mehr Zeit mit seinen Töchtern verbringen könnte.
    Trotzdem war Hartmann kurz davor gewesen, die Reise doch nicht zu unternehmen, aber am Mittwochabend war er Tommy Meadows über den Weg gelaufen, einem staatlichen Gesundheitsinspektor, der ihm erzählte, er habe ebenfalls eine Frage im Zusammenhang mit Brewster, und wenn Hartmann dort einen Blick in ein paar dunkle Ecken werfen wolle, werde er, Tommy Meadows, dafür sorgen, dass es sich rentiere. Hartmann war einverstanden. Nur würde es ihn nicht wundern, wenn das Ganze auf einen blauen Dunst hinausliefe. Tatsächlich war er erst gegen Mitternacht losgefahren und auf der Fahrt hier herunter schon dreimal kurz davor gewesen, wieder umzukehren.
    Hartmann stellte seine Reisetasche auf den Tisch neben den Fernseher. Er war ein pummeliger Mann von Ende dreißig und trug gern Hawaiihemden unter einem blauen Blazer. Was er reichlich hatte, waren Haare, einen dichten, dunkelbraunen Schopf, den er nach hinten kämmte und der ihn um fünf Zentimeter größer machte. Seine Haare sahen jetzt noch aus wie mit sechzehn. Im Haarbereich hatte er Glück, wie er sich gern sagte.
    Er packte Rasierzeug und Schlafanzug aus und stellte ein Foto der Zwillinge auf den Nachttisch: zwei hübsche Blondschöpfe, die sogar auf dem Foto aussahen, als hätten sie Mühe stillzustehen. Wenn sie in die Pubertät kämen, würden sie heiligen Schrecken verbreiten, und Hartmann war davon überzeugt, dass er mit fünfundvierzig Großvater sein würde, wenn er nicht in ihrer Nähe wohnte. Bevor seine Frau ausgezogen war, hatte er in den meisten Nächten zwei- oder dreimal nach ihnen geschaut, nur weil es ihm solche Freude machte, ihr blondes Haar zerzaust auf den Kissen zu sehen. Heutzutage konnte er von Glück sagen, wenn er Gelegenheit zum Telefonieren fand, erst recht, wenn sie sich dann auch meldeten. Nein, er musste an die Westküste, und was immer diese Kultanhänger oder Irren hier trieben – solange es illegal und halbwegs sensationell war, würde es ihm vielleicht ein Ticket nach L.A. verschaffen.
    Hartmann griff noch einmal in die Tasche und nahm saubere Unterwäsche und Socken für morgen heraus, und eine schwarze halbautomatische Neun-Millimeter-Pistole machte leise klunk , als er sie neben dem Foto auf den Nachttisch legte. Eine dreizehnschüssige Browning Hi-Power, die seinem Vater gehört hatte, der gestorben war, bevor seine Enkeltöchter zur Welt gekommen waren. Hartmann hatte nur auf dem Schießstand damit geschossen, schleppte sie jedoch seit fünfzehn Jahren mit sich herum. Noch nie hatte er sie auch nur vorzeigen müssen, aber er dachte immer, es könnte vielleicht nötig werden, auch wenn er sie oft zu Hause ließ. Er wusste nicht genau, warum
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