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Das Fest der Schlangen

Das Fest der Schlangen

Titel: Das Fest der Schlangen
Autoren: Stephen Dobyns
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sperren, oder das Geschäft wäre geplatzt. Da hat er zweimal gepfiffen, und sie sind zurückgelaufen, einfach so. Als sie zu kläffen anfingen, hat er noch mal gepfiffen, und sie waren still. So was hab ich noch nie gesehen. Er hatte sie vollständig unter Kontrolle.«
    »Waren sie freundschaftlich miteinander, er und die Kojoten?«, fragte Woody. »Irgendwie liebevoll?«
    »Kein bisschen. Sie hatten Angst vor ihm, und sie haben getan, was er sagte. Er war der Alpharüde.«
    Baldo hat Hercel die ganze Zeit weiter wegen seines Tricks gelöchert. Hercel geht es auf die Nerven, aber er redet nicht darüber. Er findet nicht, dass es Baldo etwas angeht.
    Am Montag in der Lunchpause sucht Baldo im Pausenraum nach Hercel. Baldo hat einen neuen Kugelschreiber, der aussieht wie eine lange braune Kackwurst mit einer Schreibspitze am Ende, sehr realistisch. Er kann es nicht erwarten, dass jemand ihn fragt, ob er einen Stift ausleihen kann. Nur würde niemand, der Baldo kennt, sich von ihm einen Stift leihen, denn der könnte mit Juckpulver bestreut sein oder laut furzen.
    Als Hercel sich sein Tablett holt, kommt Baldo hinterher. »Wie hast du beim Rechtschreibtest abgeschnitten? Hast du Lust, heute bei mir zu übernachten? Sollen wir was machen? Willst du was Cooles sehen?« Bei einer Konversation besteht Baldos Strategie darin, zahlreiche Fragen zu stellen und darauf zu hoffen, dass eine davon beantwortet wird.
    Hercel redet nicht gern im Gehen, und er mag keine Fragen. Er entzieht sich jedem Gruppendruck. Als er Tig sieht, nimmt er Kurs auf ihren Tisch, obwohl das dazu führen kann, dass die anderen ihn aufziehen und behaupten, Tig sei seine Freundin und so weiter.
    Baldo sieht, wo er hinwill. »Willst du dich zu einem Mädchen setzen?« Baldo hat Tig gern, nur würde er das niemals öffentlich zeigen. Hercel antwortet nicht. »Okay«, sagt Baldo, »ich hole mein Tablett und setze mich zu euch. Nur um dich zu beschützen.«
    »Wie meint er das?«, fragt Tig, als Hercel sich hinsetzt.
    »Er will mich vor dir beschützen.«
    Das finden sie komisch. Sie sind beide in der Fünften, aber sie geht in eine andere Klasse als die Jungen. Tig kennt Baldo seit der Zweiten, und schon damals hat er nur Dummheiten gemacht. In der Woche, die sie bei ihm zu Hause verbracht hat, ist sie zu dem Schluss gekommen, dass er vielleicht doch nicht so doof ist, wie sie dachte. Trotzdem hat er letzte Woche einen Gummiwurm unter ihre Spaghetti geschmuggelt.
    Einmal während dieser schlimmen Zeit hat sie Hercel gefragt, ob Baldo sein Freund sei.
    »So ’ne Art Freund«, hat Hercel geantwortet, und dann hat er sich korrigiert. »Nein, er ist mein Freund.« Wenn ihm die richtigen Worte eingefallen wären, hätte er gesagt, manchmal könne man sich seine Freunde nicht einfach aussuchen. Aber Hercel hasst komplizierte Gespräche.
    Baldo lässt sich bei Hercel und Tig am Tisch nieder und zeigt ihnen seinen neuen Kackwurststift. Die beiden reagieren gebührend angeekelt und können sich nicht vorstellen, dass jemand so etwas haben will. Baldo hingegen kann sich nicht vorstellen, dass jemand so etwas nicht haben will.
    Hercel und Tig unterhalten sich über Hunde. Barton will zwei neue Schäferhunde kaufen, und er hat ein Paar Pyrenäenberghunde im Auge, die er hoffentlich diese Woche abholen kann. Baldo stört es, dass er an diesem Gespräch nicht beteiligt ist, deshalb sagt er nach einer Weile: »Hast du Tig je von deinem Trick erzählt?«
    »Nein.« Hercel wirft ihm einen unfreundlichen Blick zu.
    »Was ist das für ein Trick?«, fragt Tig.
    »Was Blödes.« Er sieht Baldo an. »Ich bin heute Morgen freihändig gefahren, ungefähr dreißig Meter, fast jedenfalls.«
    Baldo weiß, dass sich hier Hercels Strategie des subtilen Ausweichens widerspiegelt. Sie haben schon oft über das Freihändigfahren diskutiert, und dass Hercel es heute Morgen geschafft hat, ist ein kleiner Triumph. Baldo selbst ist kein großer Radfahrer.
    Hercel berichtet, wie er auf die Straße vor dem Tor der Farm gefahren ist, wo er immer übt. Jeden Tag ist er freihändig ein Stückchen weiter gekommen. Baldo freut sich für ihn, aber so interessant findet er das Thema nicht.
    Also fällt er Hercel ins Wort. »Was ist mit dem Trick?«
    Hercel ignoriert ihn.
    »Wovon redet er?«, fragt Tig. »Kannst du wirklich einen Trick?«
    »Das ist kein Trick. Aber egal – ich rede nicht darüber.«
    »Warum nicht?«, fragt Baldo. Es wird Zeit, in die Klasse zurückzugehen.
    »Darum nicht. Also
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