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Das falsche Urteil - Roman

Das falsche Urteil - Roman

Titel: Das falsche Urteil - Roman
Autoren: H kan Nesser
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und sich dermaßen versaut, dass sie bezweifelte, ob der Busfahrer sie wieder mitnehmen würde. Moira hatte eine Weile in einer Kammer im Obergeschoss geschlafen, fühlte sich ein wenig weniger elend, aber eben nur ein wenig. Gerard, ein drei Jahre alter Allergiker, hatte große roten Flecken im Gesicht und in der Armbeuge, da ein bisher nicht identifizierter Übeltäter ihm heimlich ein Nussbonbon zugespielt hatte. Zwei Kinder von drei und vier Jahren hatten sich in die Hosen gepisst.
    Ansonsten hatte sie alles unter Kontrolle. Sie beschloss, alle auf die Treppe zu rufen und zum Aufbruch zu blasen.
    Dreizehn. Es waren nur dreizehn. Und mit Moira vierzehn.
    »Wer fehlt denn noch?«, fragte sie.

    Wie sich dann herausstellte, fehlte Eunice.
    Eine erste vorläufige Umfrage brachte die Information, dass Eunice vor zwanzig bis fünfunddreißig Minuten zuletzt gesehen worden war, die Sache mit der Zeitrechnung nahm kein Kind so genau, und die Ursache des Verschwindens war auch nicht ganz klar – möglicherweise hatten Wally oder Erich oder auch beide ihr mit einem Brett auf den Rücken geschlagen, vielleicht hatte Marissa sie auch als »Affennutte« bezeichnet. Oder sie hatte Bauchweh gehabt.
    Vermutlich lag es an einer Kombination von allem.
    Nachdem alle einige Minuten lang gerufen und geschrien hatten, beschloss Elisabeth, die Gegend durchzukämmen.
    Moira musste sich im Haus um die Drei- und Vierjährigen kümmern, Elisabeth selber ging mit den etwas Älteren in den Wald.
    Älter, dachte sie. Fünf und sechs Jahre. Sieben Kinder.
    »Wir gehen im Abstand von zehn Metern los«, erklärte sie. »Wir rufen die ganze Zeit und lassen einander nicht aus den Augen. Ist das klar?«
    »Yes boss«, schrie Wally und salutierte.
     
    Und Wally fand die Vermisste dann auch.
    »Sie sitzt in einem Scheißgraben und heult«, teilte er mit. »Da hinten. Sie sagt, sie hat einen Toten ohne Kopf gefunden.«
    Und Elisabeth wusste sofort, dass das stimmte. Auf so einen Hammer hatte sie an diesem Tag natürlich nur noch gewartet.
     
    In Wirklichkeit fehlte dem Toten nicht nur der Kopf. Sein Körper – oder das, was davon noch übrig war – war in einen schweren Teppich eingewickelt gewesen, und es fand sich einfach nicht die Zeit, um in Erfahrung zu bringen, warum Eunice diesen Teppich so genau untersucht hatte. Möglicherweise hatte ein Beinstumpf hervorgelugt. Auf jeden Fall hatte
das kräftige und starke Mädchen den Teppich weit genug aus dem Graben ziehen können, um ihn auseinanderzuwickeln. Er war von der Feuchtigkeit hart angegriffen ... und vom Schimmel, Pilzen und allgemeiner Auflösung, dachte Elisabeth. An einigen Stellen fiel er schon auseinander, und der Leichnam, der sich in seinem Innersten verbarg, befand sich mehr oder weniger im selben betrüblichen Zustand.
    Kein Kopf. Keine Hände, keine Füße.
    »Zurück zur Hütte«, schrie Elisabeth und drückte die schluchzende Eunice an sich.
    Dann überfiel sie plötzlich eine fürchterliche Übelkeit und sie wusste, dass ihr hier ein Anblick zuteil geworden war, der in allen dunklen Nächten ihres weiteren Lebens ihr treuer Begleiter sein würde.

3
    »Bericht, danke«, sagte Hiller und faltete die Hände.
    Reinhart schaute zur Decke hoch. Münster räusperte sich pflichtschuldigst und Van Veeteren gähnte.
    »Na?«, drängte Hiller.
    »Also«, sagte Münster und blätterte in seinem Notizblock.
    »Das dauert nicht lange, das verspreche ich euch«, sagte der Polizeichef und schaute auf seine Armbanduhr aus Golddouble. »In fünfundzwanzig Minuten habe ich eine Besprechung, es reicht also, wenn ich die Geschichte in groben Zügen bekomme.«
    Münster räusperte sich noch einmal.
    »Es geht also um eine männliche Leiche«, sagte er dann. »Gefunden gestern in einem Waldgebiet in der Nähe von Behren, an die dreißig Kilometer von hier entfernt, von einer Sechsjährigen ... sie machte zusammen mit ihrem Kindergarten einen Ausflug. Der Tote lag eingewickelt in einen Teppich in einem Graben, ungefähr dreißig Meter
vom nächsten befahrenen Weg entfernt, und er lag schon lange dort.«
    »Wie lange?«
    »Gute Frage«, sagte Reinhart. »Ein Jahr vielleicht. Vielleicht etwas mehr, vielleicht etwas weniger.«
    »Lässt sich das nicht feststellen?«, fragte Hiller.
    »Noch nicht«, erklärte Van Veeteren. »Meusse ist aber schon voll im Einsatz. Mindestens ein halbes Jahr jedenfalls.«
    »Aha«, sagte Hiller. »Und weiter?«
    »Weiter«, sagte Münster, »hat sich die Identität
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