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Das Experiment

Das Experiment

Titel: Das Experiment
Autoren: Robin Cook
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bringen.«
    Ronald folgte ihm. Seine Wut war inzwischen in Mitleid umgeschlagen. Als William stehenblieb, sah er nach unten. Im Schein der Kerze erkannte er seine Frau kaum wieder. Elizabeth starrte vor Schmutz. An ihren Armen und Beinen klirrten überdimensionale Ketten, und sie hatte kaum die Kraft, das im Halbdunkel umherkriechende Ungeziefer zu vertreiben.
    Ronald nahm William die Kerze ab und kniete sich neben seine Frau. Trotz ihres entsetzlichen Zustands lächelte sie ihn an.
    »Ich freue mich so, daß du wieder da bist«, sagte sie mit schwacher Stimme. »Jetzt muß ich mir wenigstens keine Sorgen mehr um die Kinder machen. Geht es ihnen gut?«
    Ronald schluckte. Sein Mund war wie ausgetrocknet. »Ich bin vom Schiff direkt zum Gefängnis gefahren«, sagte er. »Die Kinder habe ich noch gar nicht gesehen.«
    »Bitte, du mußt sofort zu ihnen gehen. Sie werden sich freuen, dich wiederzusehen. Ich glaube, sie machen sich schreckliche Sorgen.«
    »Ich kümmere mich schon um sie«, versprach Ronald. »Aber zuerst muß ich dafür sorgen, daß du freigelassen wirst.«
    »Vielleicht«, entgegnete Elizabeth mutlos. »Warum bist du jetzt erst nach Hause gekommen?«
    »Ich habe für die Ausrüstung des Schiffs viel länger gebraucht als geplant«, erklärte Ronald. »Es gab eine Menge Probleme, weil die Ausstattung neuartig ist.«
    »Ich habe dir Briefe geschrieben«, sagte Elizabeth.
    »Aber ich habe keinen einzigen erhalten«, erwiderte Ronald.
    »Wenigstens bist du jetzt wieder zu Hause«, seufzte Elizabeth.
    »Ich komme bald wieder«, sagte Ronald, während er sich aufrichtete. Er zitterte vor Aufregung und war außer sich vor Angst. Zusammen mit William verließ er den Keller und folgte dem Wärter in dessen Büro.
    »Ich tue nur meine Pflicht«, sagte William unterwürfig. Er war nicht sicher, in welcher Verfassung Ronald sich befand.
    »Zeigen Sie mir die Papiere«, verlangte Ronald.
    William zuckte mit den Schultern, durchsuchte den Papierstapel, der sich auf seinem Tisch türmte, und reichte Ronald Elizabeths Hafteinweisung und den Hinrichtungsbefehl. Ronald las beide Papiere durch und gab sie zurück. Dann nahm er ein paar Münzen aus seinem Portemonnaie. »Ich möchte, daß Elizabeth woanders hingebracht wird und daß ihre Haftbedingungen verbessert werden.«
    William nahm das Geld glücklich entgegen. »Ich danke Ihnen, freundlicher Herr«, sagte er und ließ die Münzen in den Taschen seiner Kniebundhose verschwinden. »Aber ich kann sie nicht in einen anderen Raum bringen. Die schweren Fälle werden immer in den unteren Kerker eingewiesen. Und die Eisenketten darf ich ihr auch nicht abnehmen; die Hafteinweisung schreibt die Ankettung Ihrer Frau vor, damit der böse Geist ihren Körper nicht verlassen kann. Als Dank für Ihre freundliche Anerkennung kann ich aber versuchen, es Ihrer Frau da unten ein wenig zu erleichtern.«
    »Tun Sie, was Sie können«, erwiderte Ronald.
    Draußen schaffte er es nur mit Mühe, wieder in die Kutsche zu steigen. Seine Beine waren weich und wackelig. »Zum Haus von Richter Corwin«, befahl er.
    Chester trieb das Pferd zur Eile. Er hätte gerne nach Elizabethgefragt, doch er traute sich nicht. Es war offensichtlich, daß Ronald verzweifelt war.
    Während der Fahrt wurde kein Wort gesprochen. Als sie die Kreuzung erreichten, an der die Essex und die Washington Street zusammentrafen, stieg Ronald aus. »Warten Sie hier!« befahl er knapp.
    Ronald klopfte an der Haustür und war erleichtert, als sie sich öffnete und die große und hagere Gestalt seines alten Freundes Jonathan Corwin auf der Schwelle erschien. Sobald Jonathan seinen Besucher erkannt hatte, wich sein pikierter Gesichtsausdruck einem wohlwollenden Mitgefühl. Er geleitete Ronald sofort in den Salon und bat seine Frau, die vor ihrem Spinnrad saß, den Raum zu verlassen, damit er unter vier Augen mit Ronald reden konnte.
    »Es tut mir wirklich leid«, begann Jonathan, als die beiden allein waren. »Für einen müden Heimkehrer ist das ein trauriger Empfang.«
    »Bitte sagen Sie mir, was ich tun soll«, flehte Ronald mit schwacher Stimme.
    »Ich fürchte, ich weiß auch nicht, was ich sagen soll«, erwiderte Jonathan. »Wir leben in einer schlimmen Zeit. In der Stadt herrschen Streitsucht und Feindseligkeit; vielleicht sind die Leute auch einem allgemeinen Irrglauben erlegen. Ich weiß selbst nicht mehr, was ich von alldem halten soll; vor kurzem haben sie sich auch auf Margaret Thatcher gestürzt, meine eigene
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