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Das Experiment

Das Experiment

Titel: Das Experiment
Autoren: Robin Cook
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einen Moment und warf einen Blick auf die häusliche Kulisse, die mehr an eine Schule als an einen Haushalt erinnerte. In dem Raum tummelten sich mehr als ein halbes Dutzend Kinder.
    Im Kamin knisterte ein gewaltiges Feuer und strahlte eine angenehme Wärme aus. Im Raum hing eine Mischung aus verschiedenen appetitanregenden Gerüchen: Einige entstiegen einem Kessel, der auf der Haltevorrichtung über dem Feuer stand und in dem Schweinefleisch schmorte; ein anderes Aroma stieg aus einer großen Schüssel auf, in der gerade eine Nachspeise aus Getreide abkühlte; doch der intensivste Duft kam aus dem Ofen, der einem Bienenkorb glich und der in den hinteren Teil der Feuerstelle eingelassen war. In dem Ofen buken etliche Brotlaibe, die teilweise schon eine dunkle, goldbraune Farbe angenommen hatten.
    »Ich hoffe in Gottes Namen, daß ich nicht störe«, sagte Mercy.
    »Um Himmels willen, nein«, erwiderte Elizabeth, während sie Mercy den Mantel abnahm und ihre Besucherin zu einem Leiterstuhl neben der Feuerstelle führte. »Sie sind mir sogar sehr willkommen. So kann ich mich endlich mal ein wenig von dieser wilden Kinderhorde erholen. Ich bin allerdings gerade dabei, Brot zu backen, und ich muß noch die Laibe aus dem Ofen holen.« Sie griff nach einem Brotschieber mit einem langen Stiel, schob die acht Brotlaibe einen nach dem anderen mit kurzen, flinken Stößen darauf und legte sie zum Abkühlen auf den langen, auf Holzböcken stehenden Tisch, der in der Mitte des Raumes stand.
    Mercy beobachtete ihre Gastgeberin bei der Arbeit und stellte fest, daß Elizabeth eine hübsche Frau war; sie hatte hohe Wangenknochen, einen porzellanfarbenen Teint und einen geschmeidigen Körper. Außerdem war offenkundig, daß ihr in der Küche keiner etwas vormachen konnte; sie war sehr geschickt beim Brotbacken und beherrschte auch die Kunst, das Feuer zu schüren und mit dem Kesselhaken umzugehen.
    Gleichzeitig irritierte Mercy aber irgend etwas an Elizabeth.
    Elizabeth mangelte es eindeutig an der gebotenen christlichen Sanftmut und Demut. Sie wirkte derart selbstbewußt und strahlte eine solche Kühnheit aus, daß ihre Art für eine puritanische Frau, deren Mann sich gerade in Europa aufhielt, schon recht ungebührlich wirkte. Mercy glaubte allmählich, daß hinter dem Gerede, daß sie aufgeschnappt hatte, doch mehr steckte als nur ein bloßes Gerücht.
    »Ihr Brot verbreitet einen so ungewöhnlich würzigen Duft«, sagte sie, während sie sich über die abkühlenden Laibe beugte.
    »Es ist Roggenbrot«, erklärte Elizabeth und begann acht weitere Laibe in den Ofen zu schieben.
    »Roggenbrot?« fragte Mercy. Nur die verarmten Farmer aus dem Sumpfgebiet aßen Roggenbrot.
    »Ich bin mit Roggenbrot groß geworden«, fuhr Elizabeth fort. »Ich mag den würzigen Geschmack. Aber Sie fragen sich bestimmt, warum ich so viele Brote backe. Das liegt daran, daß ich das ganze Dorf dazu bringen will, mit Roggen zu backen und die Weizenvorräte aufzuheben. Wie Sie wissen, hat das kaltnasse Wetter im Frühjahr und im Sommer zu schlechten Ernten geführt; und jetzt haben wir auch noch diesen schrecklichen Winter.«
    »Das ist zwar ein edles Anliegen«, warf Mercy ein, »doch vielleicht sollte so etwas besser von den Männern auf der Dorfversammlung besprochen werden.«
    Elizabeth brach in ein herzhaftes Gelächter aus. Als sie die schockierte Fassungslosigkeit in Mercys Gesicht wahrnahm, erklärte sie: »Männer denken nicht praktisch. Sie kümmern sich lieber um die ständigen Reibereien zwischen dem Dorf und der Stadt. Und außerdem gibt es noch mehr zu berücksichtigen als die schlechte Ernte. Wir Frauen müssen schließlich auch an die Flüchtlinge denken, die wegen der ständigen Indianerüberfälle zu uns kommen; der Krieg von König William geht nun schon ins vierte Jahr, und es ist noch immer keine Ende in Sicht.«
    »Eine Frau kümmert sich um den Haushalt…«, begann Mercy, doch dann verstummte sie, so perplex war sie über die kesse Art, in der Elizabeth mit ihr sprach.
    »Ich habe den Leuten auch empfohlen, Flüchtlinge aufzunehmen«, fuhr Elizabeth fort, während sie sich das Mehl von den Händen abklopfte und auf ihre Schürze rieseln ließ. »Nach demÜberfall auf Casco in Maine im Mai vor einem Jahr haben wir selber auch zwei Kinder bei uns aufgenommen.« Elizabeth rief in scharfem Ton nach den Kindern; sie sollten ihr Spiel unterbrechen und die Frau des Arztes begrüßen.
    Zuerst stellte Elizabeth ihrer Besucherin die
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