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Das Experiment

Das Experiment

Titel: Das Experiment
Autoren: Robin Cook
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dazu ein paar dicke Scheiben Brot aßen, schenkte Elizabeth sich selbst und Mercy etwas von dem heißen Apfelwein ein. Um sich in Ruhe unterhalten zu können, gingen die beiden mit ihren Bechern in den Salon.
    »Meine Güte!« entfuhr es Mercy. Ihr war sofort das riesige Portrait von Elizabeth ins Auge gefallen, das über dem Kamin hing. Es wirkte erschreckend realistisch; vor allem die strahlend grünen Augen ließen Mercy erschaudern. Für einen Augenblick blieb sie wie angewurzelt in der Mitte des Raumes stehen, während Elizabeth versuchte, das Feuer neu zu entfachen, das nur noch aus ein paar glimmenden Kohlen bestand.
    »Ihr Kleid ist so freizügig«, bemerkte Mercy. »Und Ihr Kopf ist gar nicht bedeckt.«
    »Mich hat das Gemälde zu Anfang auch irritiert«, gab Elizabeth zu. Sie richtete sich auf und stellte zwei Stühle vor das nun wieder lodernde Feuer. »Es war Ronalds Idee, das Portrait malen zu lassen. Ihm gefällt es. Und ich habe mich inzwischen auch daran gewöhnt.«
    »Es wirkt so papistisch«, bemerkte Mercy spöttisch und rückte ihren Stuhl zur Seite, damit das Gemälde aus ihrem Blickwinkel verschwand. Dann nahm sie einen Schluck von dem warmen Apfelwein und versuchte, ihre Gedanken zu ordnen. Ihr Besuch war ganz anders verlaufen, als sie ihn sich vorgestellt hatte. Elizabeths Art brachte sie aus der Fassung. Und die Angelegenheit, deretwegen sie eigentlich gekommen war, hatte sie noch nicht einmal angesprochen. Sie räusperte sich.
    »Ich habe da so ein Gerücht gehört«, begann sie. »Aber ich bin sicher, daß nichts Wahres daran ist. Ich habe gehört, daß Sie die Ländereien in Northfields kaufen wollen.«
    »Das ist kein Gerücht«, erwiderte Elizabeth und strahlte. »Die Angelegenheit ist bereits erledigt. Wir besitzen jetzt auf beiden Seiten des Wooleston River Land. Das Gelände erstreckt sich bis nach Salem Village, wo es an die Grundstücke angrenzt, die Ronald im Dorf besitzt.«
    »Aber die Putnams hatten doch vor, dieses Land zu kaufen«, entrüstete sich Mercy. »Es ist wichtig für sie. Für ihre Unternehmungen benötigen sie unbedingt den Zugang zum Wasser, vor allem für ihre Schmiede. Sie werden allerdings erst nach der nächsten Ernte genug Geld haben. Die Putnams werden sehr ärgerlich sein, wenn sie hören, daß Sie das Land gekauft haben.«
    Elizabeth zuckte mit den Schultern. »Ich habe das Geld jetzt«, entgegnete sie. »Ich brauche das Land, weil wir ein neues Haus bauen wollen, damit wir in Zukunft noch mehr Waisen aufnehmen können.« Elizabeth strahlte vor Freude, und ihre Augen funkelten. »Daniel Andrew hat bereits eingewilligt, das Haus zu entwerfen und zu bauen. Es soll so aussehen wie die Häuser in London – es soll ein großes Backsteinhaus werden.«
    Mercy konnte schier nicht glauben, was sie hörte. Elizabeths Stolz und ihre Gier schienen keine Grenzen zu kennen. Mercy trank einen weiteren Schluck Apfelwein. »Wissen Sie, daß Daniel Andrew mit Sarah Porter verheiratet ist?« fragte sie.
    »Ja, natürlich«, erwiderte Elizabeth. »Bevor Ronald abgereist ist, haben wir die beiden zu uns eingeladen.«
    »Und wie, wenn ich fragen darf, kommen Sie an so viel Geld?«
    »Ronald hat in letzter Zeit sehr gute Geschäfte gemacht, weil die Nachfrage nach Kriegsgütern enorm gestiegen ist.«
    »Er profitiert also von dem Leiden anderer Menschen«, bemerkte Mercy vorwurfsvoll.
    »Ronald zieht es vor zu sagen, daß er dringend benötigtes Material zur Verfügung stellt.«
    Mercy starrte einen Augenblick in Elizabeths strahlend grüne Augen. Sie war wirklich erschrocken, daß Elizabeth offenbar gar nicht merkte, wie anstößig sie sich verhielt. Im Gegenteil – sie grinste Mercy unverschämt an und nippte zufrieden an ihrem Apfelwein.
    »Ich habe das Gerücht gehört«, sagte Mercy schließlich, »aber ich konnte es einfach nicht glauben. Es ist nicht statthaft, daß Sie derartige Geschäfte tätigen, wenn Ihr Mann fort ist. So etwashat Gott nicht vorgesehen, und ich muß Sie warnen: Die Leute im Dorf reden über Sie. Sie sagen, daß Sie Dinge tun, die Ihnen als einer einfachen Farmerstochter nicht zustehen.«
    »Ich werde immer die Tochter meines Vaters bleiben«, erwiderte Elizabeth. »Aber jetzt bin ich auch die Ehefrau eines Kaufmanns.«
    Mercy kam nicht mehr zu einer Antwort, da aus der Küche ein gewaltiges Krachen und lautes Geschrei zu hören waren. Der plötzliche Tumult ließ die beiden Frauen erschrocken hochfahren. Elizabeth eilte in die Küche und griff im
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