Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Experiment

Das Experiment

Titel: Das Experiment
Autoren: Robin Cook
Vom Netzwerk:
Vorbeigehen nach der Muskete; Mercy blieb ihr dicht auf den Fersen.
    Der Tisch war umgeworfen. Die Holzschalen, aus denen die Kinder gegessen hatten, lagen verstreut auf dem Boden. Ann Putnam taumelte ruckartig durch den Raum; während sie sich ihre Kleider vom Leib zu reißen versuchte und gegen mehrere Möbelstück stieß, schrie sie unentwegt, daß sie gebissen werde. Die anderen Kinder standen ängstlich beieinander an der Wand.
    Elizabeth stellte das Gewehr ab, eilte zu Ann und packte sie an den Schultern. »Was ist los mir dir, Mädchen?« frage sie. »Was beißt dich?«
    Für einen Augenblick verharrte Ann regungslos. Ihre Augen waren glasig, und sie schien völlig abwesend.
    »Ann!« rief Elizabeth. »Was hast du denn?«
    Ann öffnete den Mund, und ganz langsam glitt ihre Zunge heraus. Gleichzeitig begann ihr Körper unkoordiniert zu zucken. Elizabeth versuchte sie festzuhalten, doch Ann bäumte sich mit überraschender Kraft gegen sie auf. Dann faßte sich Ann mit beiden Händen an den Hals.
    »Ich kriege keine Luft«, krächzte das Mädchen. »Helfen Sie mir! Ich ersticke.«
    »Wir müssen sie nach oben bringen«, rief Elizabeth Mercy zu. Gemeinsam schleppten sie das um sich schlagende Mädchen in den ersten Stock; zeitweise mußten sie Ann tragen, sonst schleiften sie sie einfach hinter sich her. Kaum hatten sie das Mädchen auf das Bett bugsiert, wurde sie von einem schweren Krampf geschüttelt.
    »Sie hat ja einen furchtbaren Anfall«, stellte Mercy fest. »Es ist wohl das beste, wenn ich schnellstens meinen Mann hole. Das Kind braucht dringend einen Arzt.«
    »Ja, bitte!« pflichtete Elizabeth ihr bei. »Beeilen Sie sich!«
    Mercy rannte die Treppe hinunter und schüttelte bestürzt den Kopf. Doch als sie sich von dem ersten Schrecken erholte hatte, wurde ihr bewußt, daß sie eigentlich nicht überrascht war; sie kannte die Ursache dieser Katastrophe. Es lag an der Hexerei. Elizabeth hatte den Teufel in ihr Haus eingeladen.

 
Dienstag, 12. Juli 1692
     
    Ronald Stewart öffnete die Kabinentür und trat in die kühle Morgenluft hinaus aufs Deck. Er trug seine beste Kniebundhose, hatte seine rote Weste mit den gestärkten Rüschen angezogen und sogar seine gepuderte Perücke aufgesetzt. Er war vor Aufregung ganz außer sich. Gerade hatten sie den Naugus Point vor Marblehead umrundet und steuerten nun direkt auf Salem Town zu. Über den Bug hinweg konnte er bereits Turner’s Wharf erkennen.
    »Laßt uns die Segel erst im allerletzten Moment einholen«, rief er Kapitän Allen zu, der hinter ihm am Steuer stand. »Die Stadtmenschen sollen sehen, wie schnell dieses Schiff ist.«
    »Aye, aye, Sir«, rief Kapitän Allen zurück.
    Ronald lehnte seinen stattlichen und muskulösen Körper über das Schandeck und ließ die Seebrise über sein breites sonnengebräuntes Gesicht und durch seine rotblonden Haare streichen. Voller Freude betrachtete er die vertraute Umgebung. Es war ein gutes Gefühl, wieder nach Hause zu kommen, doch er hatte auch ein wenig Angst. Er war beinahe sechs Monate fort gewesen, zwei Monate länger als geplant; und er hatte nicht einen einzigen Brief erhalten. Schweden war ihm wie das Ende der Welt vorgekommen. Er fragte sich, ob Elizabeth seine Briefe erhalten hatte. Ob sie wirklich zugestellt worden waren, war nicht sicher, denn er hatte kein Schiff gefunden, das auf direktem Wege in die Kolonie fuhr, nicht einmal eins nach London hatte er ausfindig machen können.
    »Jetzt wird es aber Zeit«, rief Kapitän Allen, als sie sich der Küste näherten. »Sonst setzt das Schiff auf einer Kaimauer auf und rast weiter bis zur Essex Street.«
    »Dann geben Sie den Befehl!« erwiderte Ronald.
    Die Männer kletterten auf Befehl ihres Kapitäns in die Takelung hinauf, holten innerhalb weniger Minuten die großen Segel ein und banden die Spiere fest. Das Schiff wurde langsamer. Als sie noch etwa hundert Meter vom Kai entfernt waren, sah Ronald, daß jemand ein kleines Boot ins Wasser ließ und schnell in ihre Richtung ruderte. Bald konnte er erkennen, daß es sein Angestellter Chester Procter war, der im Bug des Ruderbootes stand. Ronald winkte ihm fröhlich zu, doch Chester erwiderte die Geste nicht.
    »Ich grüße Sie«, rief Ronald, als er in Hörweite war. Chester antwortete nicht. Als das kleine Boot herangefahren war, konnte Ronald sehen, daß das schmale Gesicht seines Angestellten ganz eingefallen war und er sehr bekümmert wirkte. Ronalds Vorfreude schwand schlagartig, und er hatte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher