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Das Experiment

Das Experiment

Titel: Das Experiment
Autoren: Robin Cook
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plötzlich Angst. Irgend etwas war nicht in Ordnung.
    »Ich glaube, Sie sollten sofort an Land gehen«, rief Chester zu Ronald hinauf, während er sein Boot an dem größeren Schiff festmachte.
    Schnell wurde eine Strickleiter hinabgeworfen, und nachdem Ronald sich kurz mit seinem Kapitän besprochen hatte, kletterte er zu Chester ins Boot. Als er im Heck Platz genommen hatte, legten sie ab. Chester hockte sich neben ihn. Die beiden Ruderer, die in der Mitte des Bootes saßen, ruderten zurück in Richtung Kaimauer.
    »Was ist passiert?« fragte Ronald unruhig. Seine größte Sorge war, daß die Indianer sein Haus überfallen hatten. Er wußte, daß sie bei seiner Abfahrt bereits in Andover gewesen waren, und von dort war es nicht weit bis zu ihm nach Hause.
    »In Salem sind furchtbare Dinge geschehen«, begann Chester. Er schien überreizt und sehr nervös. »Göttliche Vorsehung hat Sie gerade noch rechtzeitig nach Hause gebracht. Wir hatten uns schon große Sorgen gemacht, daß Sie womöglich zu spät kommen würden.«
    »Ist meinen Kindern irgend etwas passiert?« fragte Ronald besorgt.
    »Nein, mit Ihren Kindern hat es nichts zu tun«, erwiderte Chester. »Sie sind gesund und in Sicherheit. Es ist Ihre Frau Elizabeth, um die Sie sich Sorgen machen müssen. Sie sitzt seit Monaten im Gefängnis.«
    »Was wirft man ihr vor?« fragte Ronald.
    »Hexerei«, antwortete Chester. »Ich bitte um Vergebung, daß ich der Überbringer solch schlechter Nachrichten bin. Sie ist von einem Sondergericht zum Tode verurteilt worden. Nächsten Dienstag soll sie hingerichtet werden.«
    »Aber das ist doch absurd!« knurrte Ronald. »Meine Frau ist keine Hexe!«
    »Das weiß ich«, sagte Chester. »Aber seit Februar ist die ganze Stadt in Aufruhr. Man hat fast hundert Frauen der Hexerei beschuldigt. Und eine ist auch schon getötet worden. Am zehnten Juni. Bridget Bishop.«
    »Die kenne ich doch«, warf Ronald ein. »Sie hatte ein feuriges Temperament. Ihr gehörte die Schenke in der Ipswich Road. Na gut, für die Schenke hatte sie keine Konzession, aber eine Hexe? Das scheint mir doch sehr unwahrscheinlich. Was in aller Welt hat diese Hysterie ausgelöst?«
    »Es ist wegen der Anfälle«, klärte Chester ihn auf. »Einige Frauen sind auf qualvolle Weise von ihnen befallen worden. Vor allem junge Frauen hat es erwischt.«
    »Haben Sie selbst so einen Anfall gesehen?« fragte Ronald.
    »O ja«, antwortete Chester. »Die ganze Stadt war Zeuge, als ein paar Frauen während der Verhandlung vor den Friedensrichtern von den Anfällen geschüttelt wurden. Es ist ein furchtbares Schauspiel. Die Befallenen schreien vor Schmerzen, und sie verlieren den Verstand. Nach dem Anfall werden sie entweder blind, taub oder stumm, manchmal tritt auch alles gleichzeitig ein. Sie zittern schlimmer als die Quäker, und sie schreien immerfort, daß sie von irgendwelchen unsichtbaren Kreaturen gebissen werden. Dann würgen sie ihre Zungen so weit heraus, als wollten sie sie gleich ausspucken, und schließlich scheinen sie keine Luft mehr zu bekommen. Doch das schlimmste ist, daß sie ihre Gelenke so weit verbiegen, bis sie zu brechen drohen.«
    Ronalds Gedanken wirbelten durcheinander. Mit so etwas hatte er wirklich nicht gerechnet. Die sengende Morgensonne brannte auf seine Stirn, so daß ihm der Schweiß ausbrach. Wütend riß er sich die Perücke vom Kopf und knallte sie auf den Boden des Bootes. Er zermarterte sich den Kopf, was er tun sollte.
    »Ich habe eine Kutsche bereitstellen lassen«, sagte Chester schließlich und durchbrach die schwermütige Stille, als sie sichdem Kai näherten. »Ich habe angenommen, daß Sie direkt zum Gefängnis fahren wollen.«
    »In der Tat«, erwiderte Ronald knapp. Sie verließen das Boot, eilten zur Straße und bestiegen die Kutsche, Chester nahm die Zügel in die Hand, knallte einmal mit der Reitgerte, und das Pferd trabte los. Die Kutsche rumpelte laut über das Kopfsteinpflaster. Keiner der beiden Männer sagte ein Wort.
    »Wer hat denn gesagt, daß diese Anfälle durch Hexerei hervorgerufen werden?« fragte Ronald, als sie die Essex Street erreichten.
    »Das hat Dr. Griggs behauptet«, erwiderte Chester. »Und der Dorfpfarrer, Reverend Parris, hat ihm zugestimmt. Schließlich haben ihm alle beigepflichtet, sogar die Friedensrichter.«
    »Und wieso sind sie sich ihrer Sache so sicher?« wollte Ronald wissen.
    »Während der Verhandlung wurde es ganz offensichtlich«, erklärte Chester. »Wir haben alle gesehen, wie
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