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Das Experiment

Das Experiment

Titel: Das Experiment
Autoren: Robin Cook
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Schwiegermutter. Sie ist auf keinen Fall eine Hexe, und deshalb frage ich mich, ob die befallenen Mädchen tatsächlich die Wahrheit sagen respektive was sie mit ihren Anschuldigungen bezwecken.«
    »Im Augenblick ist mir egal, was die Mädchen bezwecken«, entgegnete Ronald. »Ich will wissen, was ich für meine Frau tun kann. Sie wird im Gefängnis schlimmer behandelt als ein Tier.«
    Jonathan seufzte. »Ich fürchte, daß man da wenig machen kann. Ihre Frau ist bereits von den Geschworenen des Schöffengerichts von Oyer und Terminer verurteilt worden; das ist ein Sondergericht für die Frauen, die der Hexerei beschuldigt wurden.«
    »Aber Sie haben doch gerade gesagt, daß nicht sicher ist, ob die Ankläger die Wahrheit sagen«, warf Ronald ein.
    »Ja«, stimmte Jonathan ihm zu. »Aber bei Ihrer Frau war esanders. Sie wurde weder aufgrund der Aussagen der Mädchen schuldig gesprochen noch aufgrund einer spirituellen Beweisführung. Das Verfahren gegen Ihre Frau wurde schneller abgeschlossen als alle anderen, sogar noch schneller als das gegen Bridget Bishop. Die Schuld Ihrer Frau war für jedermann offenkundig, weil es einen eindeutigen und sichtbaren Beweis gab. Es bestand nicht der geringste Zweifel.«
    »Sie glauben also auch, daß meine Frau eine Hexe ist?« fragte Ronald fassungslos.
    »In der Tat glaube ich das«, entgegnete Jonathan, »so leid es mir tut. Es muß ein schwerer Schlag für einen Mann sein, so etwas zu erfahren.«
    Ronald starrte seinen Freund an und versuchte zu verarbeiten, was er gerade gehört hatte. Er hatte Jonathans Meinung immer geschätzt und respektiert.
    »Aber ich muß doch irgend etwas für Elizabeth tun können«, flehte Ronald schließlich. »Und wenn ich nur einen Aufschub der Hinrichtung erreiche, damit ich etwas Zeit gewinne, um mich über die Einzelheiten zu informieren.«
    Jonathan legte seinem Freund eine Hand auf die Schulter. »Ich bin nur der kleine Friedensrichter unserer Gemeinde, und ich kann gar nichts tun. Vielleicht sollten Sie besser nach Hause gehen und sich um Ihre Kinder kümmern.«
    »So einfach gebe ich nicht auf«, widersprach Ronald.
    »Dann kann ich Ihnen nur den Rat geben, nach Boston zu fahren und sich mit Samuel Sewall auseinanderzusetzen«, sagte Jonathan. »Soweit ich weiß, sind Sie aufgrund Ihrer gemeinsamen Zeit am Harvard College mit ihm befreundet. Vielleicht weiß er einen Rat, schließlich hat er gute Verbindungen zur Kolonialregierung. Er wird gewiß nicht uninteressiert sein. Immerhin ist er einer der Richter am Gericht von Oyer und Terminer, und er hat mir gegenüber erwähnt, daß er bei dieser ganzen Angelegenheit erhebliche Bedenken hat – genauso übrigens wie Nathaniel Saltonstall, der sogar sein Richteramt niedergelegt hat.«
    Ronald bedankte sich bei Jonathan und ging. Er sagte Chester, was er vorhatte, und innerhalb der nächsten Stunde hatte er ein gesatteltes Pferd und machte sich auf den Weg. Bis nach Boston waren es siebenundzwanzig Kilometer. Er ritt zunächst in Richtung Cambridge und überquerte den Charles River. Dann nahm er die Landstraße nach Roxberre und näherte sich seinem Ziel von Südwesten her.
    Während er den schmalen Landstreifen der Shawmut-Halbinsel entlanggaloppierte, hielt ihn eine wachsende Angst im Griff. Er überlegte bereits, was er tun sollte, wenn auch Samuel ihm nicht helfen wollte oder konnte. Er hatte keine Ahnung. Samuel war seine letzte Hoffnung.
    Als er das Stadttor durchquerte, fiel sein Blick auf den Galgen, an dem eine frische Leiche baumelte. Der grausige Anblick jagte ihm einen kalten Schauer über den Rücken. Hastig gab er seinem Pferd die Sporen.
    In Boston, das aus etwa achthundert Häusern bestand, lebten mehr als sechstausend Menschen. In der Mittagszeit herrschte ein dichtes Gewimmel in den Straßen, so daß Ronald nur langsam vorankam. Als er das am Südende gelegene Haus von Samuel endlich erreicht, war es beinahe ein Uhr. Ronald stieg von seinem Pferd und band es an einem Palisadenzaun fest.
    Er traf Samuel im Salon an, wohin dieser sich nach dem Mittagessen zurückgezogen hatte, um seine Pfeife zu rauchen. Ronald bemerkte, daß sein Freund im Laufe der letzten Jahre Fett angesetzt hatte; früher, als sie gemeinsam auf dem Charles River Schlittschuh gelaufen waren, war Samuel ein flotter Bursche gewesen.
    Samuel freute sich, Ronald zu sehen, doch seine Begrüßung war zurückhaltend. Noch bevor Ronald auf Elizabeths Verurteilung zu sprechen kam, wußte er schon, warum sein Freund
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