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Das ewige Leben

Das ewige Leben

Titel: Das ewige Leben
Autoren: Wolf Haas
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Vergangenheit besucht dich. Merken, hat der Brenner sich eingehämmert. Köck. Nicht vergessen.
    Jetzt was war ihm da so wichtig? Du musst wissen, es hat damit zu tun gehabt, wo der Brenner am Tag vor dem Mordversuch der Grazer Kripo gewesen ist. Beim Köck. Zuerst einmal nur das Gesicht, dann gleich der Name. Und irgendwo ganz hinten in seinem Hirn sogar die Geschichte. Der Brenner muss in der Dunkelheit ein bisschen versunken sein, weil auf einmal hat ihn die Schwester Vanessa, die er vor einer Sekunde noch unten am Parkplatz gesehen hat, von hinten am Arm berührt.
    »Jetzt stehen wir immer noch da!«, hat sie gesagt. Weil vor ihrer Pause ist der Brenner ja auch schon da gestanden und hat hinausgestarrt und sich gewundert, dass in Graz nie ein richtiges Wetter ist. Immer ein bisschen ding.
    »Wir dürfen uns nicht überanstrengen«, hat sie besorgt gesagt, als wäre der Brenner weiß Gott was für ein Altersheiminsasse. Aber sie hat natürlich nicht wissen können, warum er einen derartigen Schweißausbruch und eine derartige Gänsehaut hat. Und sie hat auch nicht wissen können, wie ihn ihre ewige Wir-Sagerei genervt hat.
    Aber siehst du, man soll die Wir-Sagerei nie zu früh verurteilen. Weil jetzt hat der Brenner das »Wir« auf einmal wieder gut brauchen können, und er hat sich gedacht, ich erzähle es ihr, und falls ich es vergesse, kann ich sie nachher fragen, quasi Leih-Hirn.
    »Mir ist gerade eingefallen, wo ich am letzten Tag vor meinem Unfall war.«
    Weil als Kompromiss hat er jetzt immer Unfall gesagt, schön in der Mitte zwischen der Krankenhaus-Sicht und seiner Sicht.
    »Ja, sehr gut!«, hat die Schwester gesagt, natürlich vollkommen uninteressiert daran, was es genau war, woran der Brenner sich erinnert hat.
    Jetzt hat der Brenner sie am Arm gepackt und gesagt: »Beim Köck war ich.«
    »Ja, sehr gut! Beim Köck waren wir! Sehr gut!«
    »Bei meinem Schulfreund Köck.«
    »Ach, beim Schulfreund«, hat die Schwester gesagt. »Sehr gut!«
    Dann hat der Brenner sie gehen lassen. Er hat sich bei dem Gedanken ertappt, ob sie zum Professor Hofstätter auch immer »sehr gut« sagt, aber dann Erfolgserlebnis für den Brenner, weil nach diesem Gedanken hat er es immer noch gewusst. Beim Köck war er. Beim Köck.
    Jetzt natürlich große Frage, was hat den Brenner dazu getrieben, dass er nach dreißig Jahren auf einmal beim Köck vorbeigeschaut hat? Weil der Brenner hat den Köck nicht nur eine Sekunde lang besucht. Sondern stundenlang, sprich viel zu lange besucht. Wenn er früher heimgegangen wäre, hätte der Kripochef vielleicht nicht schon im Haus auf ihn gewartet und ihm mitten in der alten Küche seiner Großmutter eine Kugel in den Kopf geschossen. Wenn er früher auf sein Moped gestiegen und heimgefahren wäre, hätte er beim Köck gar nicht wieder mit der alten Geschichte angefangen. Du musst wissen, hinter der Werkstatt von seinem Großvater hat er gleich am ersten Tag in Puntigam sein altes Moped wiedergefunden, und nach zwei Tagen hat er es so weit gehabt, dass es wieder angesprungen ist. Und gegangen wie in alten Zeiten.
    Du darfst eines nicht vergessen. Bei so einer Rückkehr in die Heimatstadt, sprich Graz, sprich Puntigam, kommst du leicht in eine blöde Stimmung hinein, quasi Jugendtage, Freunde, Liebe, Moped und, und, und. Das war es ja, wo der Dr. Bonati immer so gute Argumente gehabt hat, sprich, der Brenner ist in die Stimmung hineingekommen, zu viel nachgedacht, und zu viel Nachdenken immer schlecht, dann Erkenntnis, früher jung, jetzt alt, und da erschieß ich mich lieber.
    Ich muss ehrlich zugeben, ich als Dr. Bonati hätte es wahrscheinlich auch so gesehen. Und wenn der Brenner nicht selber dabei gewesen wäre, hätte er es wahrscheinlich auch so gesehen.
    Dem Dr. Bonati erzähle ich nichts vom Köck, hat der Brenner sich vorgenommen. Der erfährt garantiert nichts davon, dass der Köck mich besucht hat. Und er hat sich gefreut, dass ihm der Name schon wieder eingefallen ist, Köck, Captain Köck haben sie den in der Polizeischule genannt. Ja richtig, nicht Schulfreund aus der Kindheit, Polizeischulfreund war der Köck. Spitzname Captain, weil Familienname Köck, und da hat sich das aus der Fernsehserie ergeben, wo der Captain Kirk immer schön mit dem Raumschiff unterwegs war, und irgendeiner hat einmal rein zum Spaß zum Köck »Captain Köck« gesagt, und der Köck ist das dann nie wieder losgeworden. Das war genauso, wie zum Irrsiegler alle Saarinen gesagt haben, weil der immer
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