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Das ewige Leben

Das ewige Leben

Titel: Das ewige Leben
Autoren: Wolf Haas
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gespürt, und der andere hat immer überhaupt nichts gespürt, obwohl er nebenan im Schwesternzimmer war, weil jeder glaubt, er ist es irgendwie seiner Persönlichkeit schuldig, dass er es schon am Parkplatz unten oder nicht einmal im Schwesternzimmer gespürt hat.
    Aber pass einmal gut auf, was ich dir sage. Parkplatz gibt es nicht, ganz klar. Aber dass du nur durch eine dünne Wand getrennt überhaupt nichts spürst, das kaufe ich der Schwester Corinna auch nicht ab. Weil du spürst es, wenn keine zwei Meter entfernt einer vom Totenreich zurückkehrt, da ist eine Energie im Spiel, da kannst du so eine dicke Haut wie die Schwester Corinna haben, und du spürst es trotzdem.
    Nur in einem Punkt waren sich alle einig. Wie sie den Putzmann schreien gehört haben, ist ihnen sofort klar gewesen, dass es um Leben und Tod geht. Und wie sie dann in das Zimmer hineingestürmt sind, haben sie es gleich gesehen. Der Hoffnungslose sitzt aufrecht im Bett und schaut sie interessiert an.
    Dass es so was gibt! Ist der Hoffnungslose wieder aufgewacht. Das musst du dir einmal vorstellen, der hat sich vor drei Wochen in den Kopf geschossen, und der Professor Hofstätter hat immer gesagt, wenn der nicht so einen Quadratschädel hätte, dann wäre er auf der Stelle tot gewesen, aber nichts da, er hat leiden müssen und ist nicht gestorben. Und jetzt sitzt er nach drei Wochen Koma aufrecht im Bett und schaut die Hereinstürmenden so verwundert an, als wären sie gerade von einer anderen Galaxie hereingekommen.
    Die Schwester Corinna hat so vorsichtig geflüstert, als hätte sie Angst, der Luftzug ihrer Worte wirft ihn gleich wieder um:
    »Herr Brenner?«
    Der Hoffnungslose hat ganz langsam den Kopf weggedreht. Nicht weil er damit sagen wollte, dass er nicht der Herr Brenner ist, sondern eben: Lass mir noch ein bisschen Zeit, Schwester, nach drei Wochen Koma plappere ich jetzt nicht gleich durch die Gegend.
    »Herr Brenner?«, hat die Schwester Corinna jetzt ein bisschen lauter gesagt.
    Und dann schon fast mit ihrer normalen Lautstärke, sprich Tote aufwecken: »Herr Brenner? Hören Sie mich?«
    Weil die Schwester Corinna hat geglaubt, sie kann es erzwingen, und wenn er schon aufwacht, muss er auch was sagen.
    Aber nichts da, der Brenner hat sich von der erhöhten Lautstärke überhaupt nicht beeindrucken lassen und wieder nur so langsam den Kopf geschüttelt, als hätte er mit der Erdkugel gewettet, und wer weniger als eine Umdrehung pro Tag schafft, hat gewonnen.
    »Herr Brenner?«
    Aber drei Tage hat sie dann schon noch warten müssen, bis der Brenner zum ersten Mal den Mund aufgemacht und ganz schwach und leise geflüstert hat: »Lustig samma, Puntigamer!«
     

2
    Und Recht hat er gehabt, dass er noch ein bisschen gewartet hat mit dem Reden. Weil mit dem Reden haben dann die Probleme für ihn erst richtig angefangen. Beim Aufwachen hat er im ersten Moment noch geglaubt, er ist in den Himmel gekommen, so eine starke Ähnlichkeit hat der Putzmann mit dem Jimi Hendrix gehabt. Und jetzt diese elendige Streiterei zwischen den beiden Kapazitäten.
    Den Brenner hat es wahnsinnig belastet, wie er bemerkt hat, dass der Chirurg und der Psychiater sich derart um ihn streiten. Und da sieht man wieder einmal die gesunde Konstitution vom Brenner. Dass er das in seinem Zustand überlebt hat. Weil das war ein emotionaler Stress, Kugel nichts dagegen.
    Ich glaube, manchmal hat es dem Professor Hofstätter schon fast Leid getan, dass er dem Brenner die Kugel so schön herausgefischt hat. Im Grunde hat ihm der Erfolg mit dem Brenner mehr Ärger als Freude bereitet. Ist ja überhaupt ein bisschen verhext, dass die Freude über einen Erfolg nie lange anhält. Einen Ärger kann man schön aufbewahren, der unterhält einen bis ans Lebensende, ja was glaubst du, aber Erfolg schnell beim Teufel. Und den Professor Hofstätter hat es eben wahnsinnig gewurmt, dass die Leute von einem Wunder gesprochen haben.
    Sogar der GratisGrazer hat in der Überschrift groß »Wunder« gehabt und erst im Kleingedruckten »chirurgische Meisterleistung«. Und nur das langweilige Passfoto von ihm, nicht mit dem schwarzen Porsche, wie er gehofft hätte. Obwohl ich ehrlich sagen muss, da war der Professor Hofstätter vielleicht auch ein bisschen zu ehrgeizig. Sicher, er hat alles tadellos gemacht, da gibt es gar nichts. Aber trotzdem steht dir ein Hoffnungsloser nicht mehr auf, chirurgische Meisterleistung hin oder her. Ohne Wunder geht da gar nichts.
    Im Grunde brauchst du sogar
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