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Das Evangelium nach Satan

Das Evangelium nach Satan

Titel: Das Evangelium nach Satan
Autoren: Patrick Graham
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erwidern.
    Jetzt ist der kleine Zug auf den Balkon getreten. Die Stimme des dienstältesten Kardinals stellt der Menge über die Lautsprecheranlage den neuen Papst vor. Als sein Taufname und sein Papstname genannt werden, tritt er ins Licht. Die Jubelrufe der Menge hüllen ihn ein. Er beugt sich vor und sieht auf den Platz hinab, der, wie auch die angrenzenden Straßen, schwarz von Menschen ist. Sie erwarten von ihm ein Lächeln, ein Wort, das Hoffnung verheißt. Er hebt den rechten Arm und macht damit ein großes Kreuzzeichen. Dabei hört er in seinem Inneren die Worte, die ihm der alte Camerlengo in der Peterskirche zugeflüstert hatte: Es ist nicht vorbei, Giovanni. Hörst du mich? Es fängt erst an.
    Ein Lächeln legt sich auf die Züge des neuen Papstes, als er die Arme hebt, um die Menge zu grüßen. Campini hatte recht. Es fängt erst an.

6
    Maria hat das Kloster Unserer Lieben Frau vom Sinai erreicht. Wortlos führt eine alte Nonne sie durch die Gänge. Hinter den Türen, an denen sie vorüberkommt, hört sie Glockengeläut und Rufe aus einer Menschenmenge. Soeben ist der neue Papst gewählt worden.
    »Hier ist es.«
    Beim Klang der Stimme fährt Maria leicht zusammen. Es kommt ihr vor, als spräche die Weltferne Schwester, die sie im Kloster von Holy Cross in ihre Zelle gebracht hatte. Die Nonne weist auf eine Tür. Maria tritt ins halbdunkle Zimmer.
    Im schwachen Lichtschein vom Bildschirm des Fernsehers entdeckt sie das Gesicht Pater Carzos, der auf dem Bett liegt. Während der drei Wochen seines Komas war sie ihm nicht von der Seite gewichen.
    Er bedeutet ihr mit einer Handbewegung, näher zu treten. Er telefoniert mit jemandem auf Italienisch. Sie wendet sich zum Fernseher, der das Menschengewimmel auf dem Petersplatz zeigt. Jetzt hebt der neue Papst auf dem Balkon die Arme und segnet die Menge. Carzo legt auf. Ohne sich umzudrehen, fragt sie: »Auf wen ist die Wahl gefallen?«
    »Auf Kardinal Patrizio Giovanni. Er hat sich für den Namen Matthias I. entschieden. Er wird mit Sicherheit ein bedeutender Papst sein.«
    Sie wendet sich zu Carzo um. Er ist sehr blass.
    »Und mit wem haben Sie telefoniert?«
    »Mit jemandem im Vatikan. Man hat mir mitgeteilt, dass ich als Privatsekretär Seiner Heiligkeit vorgesehen bin.«
    »Für Verdienste um das Vaterland?«
    »So ungefähr.«
    Schweigen. Sie beugt sich über ihn und küsst ihn auf die Wange. Dabei sieht sie im Halsausschnitt seines Schlafanzugs etwas aufblitzen, eine Kette, an der etwas hängt, das wie ein Kreuz aussieht. Bei der Berührung seiner Wange zuckt sie leicht zusammen. Seine Haut fühlt sich eiskalt an. Sie sieht ihm aufmerksam ins Gesicht. Er wirkt erschöpft.
    »Ich gehe jetzt.«
    »Schon?«
    »Ich komme wieder.«
    Carzo schließt die Augen. Bevor Maria hinausgeht, schaltet sie den Fernseher aus. Der Bildschirm wirft ein sonderbar phosphoreszierendes Licht in den Raum. An der Tür bleibt sie stehen. »Ach übrigens, Alfonso, was tragen Sie da an der Kette um den Hals?«
    Keine Antwort. Maria lauscht. Carzo scheint eingeschlafen. Sie legt die Hand auf die Klinke.
    »Auf Wiedersehen, Alfonso.«
    »Gegrüßet seist du, Maria.«
    Als sie die dunkle Stimme hört, erstarrt sie. Mechanisch fährt ihre Hand zur Waffe. »Was haben Sie da gesagt?«
    Sie dreht sich langsam zu Carzo um, der sich auf seinem Bett aufgerichtet hat. Seine Augen leuchten schwach im Dämmerlicht. Er lächelt.
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