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Das Evangelium nach Satan

Das Evangelium nach Satan

Titel: Das Evangelium nach Satan
Autoren: Patrick Graham
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hebt den Plexiglasdeckel und nimmt eine Zeitung heraus. Dann zündet sie sich eine Zigarette an und schlägt die zweite Seite auf.
    ∗ ∗ ∗
    Nachdem über das Internet hochbrisante Fakten bekannt geworden sind, hat man in den letzten Tagen führende Köpfe der Finanzwelt wie auch Vorstandsvorsitzende multinationaler Unternehmen verhaftet. Insbesondere wurden über das Internet Organigramme eines weltumspannenden Netzes finanzieller Machenschaften aufgedeckt, an denen dem Vernehmen nach der weitaus größte Teil der an der Börse notierten Konzerne beteiligt ist. Bevor die betroffenen Unternehmen Gegenmaßnahmen ergreifen konnten, hatten Millionen von Nutzern das Dokument heruntergeladen und an Freunde und Bekannte weiter geleitet. Es sieht ganz so aus, als seien die Kursstürze an den Finanzplätzen infolge der sich wie eine Kettenreaktion fortpflanzenden Konkurse mehrerer großer internationaler Banken noch lange nicht zu Ende. Im Augenblick lässt sich weder etwas über die Zahl der in diesem Zusammenhang festgenommenen Bankdirektoren und Firmenchefs noch über die Zahl der Selbstmordfälle sagen. Mit Sicherheit hat das FBI hier einen nachhaltigen Schlag gegen das größte Geldwäsche-Konglomerat des Jahrhunderts geführt, das, soweit bekannt ist, den internationalen Terrorismus wie auch das organisierte Verbrechen finanziert hat.
    ∗ ∗ ∗
    Sie zerknüllt das Blatt und wirft es in einen Papierkorb. Ja, der berühmte internationale Terrorismus … Lediglich dem Hinweis auf diese Verflechtung hatte Crossman es zu verdanken, dass ihm das Außenministerium gestattete, am Netz Beteiligte festzunehmen. Eine dauerhafte Wirkung durfte man sich davon nicht versprechen. Schon nach wenigen Monaten oder Jahren würde sich Novus Ordo neu organisiert haben und wieder nach der Macht streben.
    Maria zertritt ihre Zigarette mit dem Absatz und sieht zur Sonne hin. Ihr Licht ist so hell, dass sie die Augen zusammenkneift. Von fern leuchten die Pfeiler der Golden-Gate-Brücke, über der sich der Nebel langsam lichtet. Der Tag verspricht heiß zu werden.
    Sie geht in Richtung Stadtmitte. An der Ecke der Hyde Street besteigt sie ein Cable Car, das die Market Street emporfährt. An das Geländer der Plattform gelehnt, sieht sie die farbenfroh gestrichenen Häuser aus dem neunzehnten Jahrhundert an sich vorüberziehen. Der Fahrer, ein älterer Schwarzer, läutet die Glocke und flucht wie ein Teufel. Die laue Salzluft weht ihr durch die Haare. Sie fühlt sich wohl.

5
    Erneut hat sich Stille über die Sixtinische Kapelle gesenkt. Weihrauchfässer werden geschwenkt, während sich die Kardinäle vor Giovanni neigen, den sie aus ihren Reihen gewählt haben. Die Frage des dienstältesten Kardinals, ob er die Wahl annehme, bejaht er. Dann fordert ihn dieser auf, den Namen zu nennen, für den er sich entschieden hat. Giovanni antwortet, er wolle zu Ehren des dreizehnten Jüngers den Namen Matthias I. tragen. Diese eigenwillige Entscheidung soll ein unmissverständliches Signal sein und auf einen Neuanfang nach den entsetzlichen Ereignissen hinweisen, die den Vatikan bis ins Mark getroffen und erschüttert haben.
    Inzwischen hat man dem neuen Papst die Gewänder angelegt, und Matthias I. schreitet zwischen dem dienstältesten Kardinal und dem neuen Camerlengo durch das Gewirr der Gänge zum Balkon, der auf den Petersplatz geht. Den Hirtenstab in der Hand folgt er dem schweren Papstkreuz, das ein Protonotar vor sich her trägt. Als sie sich dem Balkon nähern, hört er den brausenden Lärm, der sich über dem Platz erhebt. Er kommt sich vor wie auf dem Weg zu einer Arena voller reißender Tiere. Dicht neben ihm hält sich der Kardinal Staatssekretär Mendoza, dessen Lippen ein Lächeln umspielt. Matthias I. beugt sich rasch zu ihm und flüstert ihm eine Frage zu, die durch das Konklave in den Hintergrund gedrängt worden war. »Sie haben mir noch nicht gesagt, ob die Rettungsmannschaften am Brandort die Kreuze der Seligpreisungen gefunden haben.«
    Das Lächeln des alten Kardinals erstirbt. Die Frage scheint ihn unvorbereitet zu treffen.
    »Das Feuer hat in der Halle der Siegel mehrere Stunden lang gewütet, sodass die Kreuze geschmolzen sein dürften.
    Zu unserem Bedauern haben wir auch keinerlei Überreste der Toten gefunden.«
    »Und ist es sicher, dass die Kreuze geschmolzen sind?«
    »Wer kann das sagen, Eure Heiligkeit?«
    Matthias I. spürt das Kreuz der Armen auf seiner Brust. Er weiß auf diese Gegenfrage nichts zu
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