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Das Evangelium nach Satan

Das Evangelium nach Satan

Titel: Das Evangelium nach Satan
Autoren: Patrick Graham
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entscheidenden Dokumente nicht dort befunden. Was da hinter uns brennt, ist nichts als Papier, alte Bücher und nutzlose Pergamente.«
    »Und wo ist das Entscheidende?«
    »Einen Teil davon halten Sie in den Armen.«
    Giovanni sieht auf das rote Tuch hinab, in das er das Buch gewickelt hat.
    »Sollte man das nicht besser vernichten?«
    »Gewiss. Später.«
    »Wann?«
    »Wenn wir uns gründlich damit beschäftigt haben und hinter sein Geheimnis gekommen sind. Dies Buch ist ein Schatz von unermesslichem Wert. Nur aus ihm können wir etwas über die wahre Natur unserer Feinde erfahren.«
    »Inwiefern könnte es uns nützlich sein, jetzt, da keiner der Kardinäle des Schwarzen Rauchs mehr lebt?«
    »Glauben Sie das wirklich?«
    »Was wollen Sie damit sagen?«
    »Der Irrglaube stirbt nie auf dem Scheiterhaufen, nur die Irrgläubigen. Ihre Lehre aber kommt auf die eine oder andere Weise immer wieder. Wir müssen bereit sein, wenn es so weit ist.«
    Der kleine Trupp hat das schwere Tor in der Mauer um die Engelsburg durchschritten. Quietschend schließt es sich hinter ihnen. Über eine steinerne Wendeltreppe geht es in die Tiefe. Die Luft wird kühler.
    »Wohin führen Sie mich?«
    »An den geheimsten Ort im ganzen Vatikan. Dorthin, wo sich seit Jahrhunderten das wahrhaft Entscheidende befindet, die eigentlichen Schätze der Christenheit. Wie ich schon gesagt habe, alles andere ist nichts als Papier.«
    Giovanni hat jeden Zeitsinn verloren. Das Evangelium in seinen Armen scheint Tonnen zu wiegen, als wisse es, dass es auf dem Weg zu seinem letzten Bestimmungsort sei und im Begriff stehe, endgültig in die Finsternis der Nacht zurückzukehren.
    Sie sind unten angekommen. Knirschend hebt sich langsam ein Tag und Nacht von Hellebardenträgern bewachtes schweres Stahlgitter. Mendoza erklärt Giovanni, dass niemand außer dem Papst und dem Kardinal Staatssekretär das Recht habe, es zu durchschreiten.
    »Seine Heiligkeit und ich waren die Einzigen, die diesen Ort kannten. Da er nicht mehr unter uns weilt und die Kurie in völliger Auflösung begriffen ist, mache ich Sie mit diesem Geheimnis vertraut, das Sie mit ins Grab nehmen müssen. Haben Sie mich verstanden?«
    Giovanni nickt. Vier schwere stählerne Haken rasten von oben in das Gitter ein, von dem nur noch die Spitzen zu sehen sind und halten es fest. Ein eisiger Luftstrom drückt die Flamme der Fackel nieder, die Mendoza hält. Giovanni folgt ihm durch einen in den Fels gehauenen schmalen Gang, der sich sanft abwärts neigt. Die Mosaiken unter ihren Füßen blitzen im Schein der Fackel auf. Obwohl sie nur wenige Minuten gehen, kommt es Giovanni vor, als dehne sich die Zeit zu Stunden. Vor ihm setzt Mendoza bei jedem Schritt seinen Stock mit einem Geräusch auf, das lange nachhallt.
    Dann bleibt der alte Kardinal Staatssekretär stehen. Im Fackelschein wird eine Bohlentür sichtbar. Sie stammt aus dem Mittelalter und ist so dick, dass sie dem Angriff von Rammböcken widerstehen kann. In die Bohlen ist die Inschrift graviert:
    ∗ ∗ ∗
    HIER BEGINNT DAS ENDE
HIER ENDET DER ANFANG
HIER RUHT DAS GEHEIMNIS VON GOTTES MACHT
ZUM FEUER VERDAMMT SEIEN DIE AUGEN
DIE ES IN SICH AUFNEHMEN
    ∗ ∗ ∗
    Giovannis Augen weiten sich vor Staunen.
    »Dieselbe Inschrift wie auf dem Einband des Evangeliums!«
    »Das ist die Devise des Ordens der Weltfernen Schwestern und zugleich die ausdrückliche Mahnung, die man über die Jahrhunderte hinweg an jeden gerichtet hat, der sich von seiner Dummheit dazu verleiten ließ, die Geheimnisse des Glaubens entweihen zu wollen. Hier sehen Sie, warum die Inquisition jene geblendet hat, die solche Geheimnisse gesehen hatten.«
    »Was befindet sich hinter dieser Tür?«
    Mendoza steckt den Schlüssel zur Hälfte in ein kunstvolles Florentiner Schloss, bei dem Gegengewichte auf mehrere schwere Metallstäbe im Inneren der Bohlen wirken, und macht eine Vierteldrehung nach rechts. Geräuschvoll setzt sich der Mechanismus in Bewegung. Dann schiebt er den Schlüssel vollständig ein, dreht ihn zweimal nach links und noch einmal nach rechts. Ein Schnarren von Zahnrädern, eine Reihe metallischer Geräusche: Die Stahlstäbe fahren zurück, knarrend öffnet sich die schwere Tür.
    »Warten Sie hier, bis ich Licht gemacht habe.«
    Giovanni schaut zu dem Kardinal Staatssekretär hinüber, dessen Schritte rasch leiser werden. Der Raum scheint so groß zu sein, dass die Fackel aus der Ferne wie ein Streichholz wirkt, das sich in der Dunkelheit
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