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Das erste Mal und immer wieder

Das erste Mal und immer wieder

Titel: Das erste Mal und immer wieder
Autoren: Lisa Moos
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würde, und zeigte keinerlei Verständnis für meine Aussagen, mich dort wohler als zu Hause zu fühlen. Auch befürchtete sie sexuelle Übergriffe des alten Mannes auf mich und konnte sich, wie auch die anderen, nicht erklären, was ich da stunden-, manchmal tagelang so trieb.
    Ich tat eigentlich gar nicht viel. Ich hörte mir Geschichten über die Fremdenlegion an, wie sie nur Heinz erzählen konnte, zeigte ihm im Gegenzug meine Geschichtsbücher und Biologieaufgaben und hörte vieles über die Liebe im Leben, über Hass und über Enttäuschung.
    Ich lauschte seinen Bitten, aus meinem Leben etwas zu machen, und empfand so etwas wie Geborgenheit und Ruhe in mir. Zweimal feierten wir unseren Geburtstag zusammen, nur er und ich, in diesem windschiefen Haus, inmitten dieser Unordnung. Beide Male fühlte ich mich glücklich und sicher.
    Meine Familie schämte sich wahnsinnig vor ihren Freunden und unseren Nachbarn, denen mein »neues Zuhause« natürlich nicht verborgen geblieben war. Irgendwann machte sich meine Mutter in Begleitung von »Papa Klaus« auf, mich dort abzuholen und den Kontakt ein für allemal zu unterbinden. Der Alte hatte es längst aufgegeben, mich vor die Tür zu setzen, und ließ sich meine Gegenwart mittlerweile gern gefallen, obwohl er wusste, dass meine Familie damit nicht einverstanden war. Irgendwie musste er gespürt haben, wie zerrissen ich war, und genoss die neue Lebensaufgabe, mir etwas zu geben, was sonst niemand von ihm annehmen wollte.
    Als meine Eltern wie verrückt gegen die Tür hämmerten und mit der Polizei drohten, schüttete er einen großen Eimer Wasser aus dem oberen Fenster direkt auf die Klopfenden. Beide wurden pudelnass, waren entsetzt und kamen nur wenige Minuten später mit der Polizei zurück. Natürlich musste ich mit.
    Der alte Heinz wurde verhört. Ein Verfahren wurde eingeleitet, welches ihn am Ende eines langen Behördenweges direkt in ein staatliches Altersheim führte, in dem ich nie wieder zu ihm gelassen wurde. Dort starb er nur ein Jahr später, ganz allein, Besuch von seinen Kindern hat er niemals bekommen.
    Als ich davon erfuhr, habe ich zwei Kerzen in der Kirche angezündet; eine für ihn und eine für seine Frau, in der Hoffnung, dass sie sich wieder vereinen würden, wo und wann auch immer.
    Und immer, wenn ich Geburtstag habe, denke ich daran, dass es auch der seine ist.
    Lieber Heinz: Jede Minute bei dir habe ich mich gut gefühlt. Oft stand ich später am Fuß des Berges und wünschte mir, du wärst noch da! († 1983)
CHAMPAGNERKELCH II
    Herbert war mein erster Freier im »Champagnerkelch«. Als ich an jenem Abend hier ankam, war es schon weit nach 24 Uhr. Erst hatte ich lange das Haus gesucht, dann hatte ich mich über eine Stunde nicht hineingetraut. Aber mein Entschluss stand damals fest. Ich würde dort arbeiten, und ich würde heute damit anfangen. Mit einem kurzen, schwarzen Minirock und einer weißen Bluse bekleidet, stand ich aufgeregt vor der Tür. Meine Hände schwitzten, und ich hatte keine Ahnung, was mich dort erwarten würde. Meine Haare hatte ich blondiert und den roten Fusseln den Garaus gemacht. Zudem hatte ich mich großzügig geschminkt und meine Beine in einer Netzstrumpfhose verpackt. Dazu trug ich die höchsten Pumps, die ich hatte. Ängstlich drückte ich den Klingelknopf.
    Schritte hinter der Tür und dann öffnete mir Marion. »Hallo, komm herein, bist du Lisa?«, fragte sie mich und lächelte mich herzlich an. Ich fühlte mich gleich wohl, als ich in ihr hübsches, freundliches Gesicht blickte, und folgte ihr vertrauensvoll in den Gang vor der Bar. Leise, dezente Musik erklang aus den Räumen. »Ja, ich bin Lisa, ich hatte am Nachmittag angerufen. Aber dann habe ich mich nicht vorher getraut«, ich lächelte jetzt etwas verlegen zurück. »Kein Problem, bis jetzt wurde hier noch niemand gebissen«, scherzte sie und nahm mich mit in die Bar. »Am besten, ich zeig dir erst mal alles und erkläre dir, wie es hier so läuft«, stupste sie mich an, und ich folgte ihr. Im Treppenhaus kam man auf die mittlere Etage. Dort waren drei Zimmer sowie ein Badezimmer. Alles in Rottönen und die Stufen mit dickem Teppich belegt. Durch eine kleine Luke konnte man in die Küche sehen.
    »Hier werden auch die Getränke fürs Zimmer ausgegeben«, erklärte mir Marion. »Wenn du sie mal selber holen musst und bist schon im Zimmer, brauchst du nicht nackig in die Bar«, kicherte sie mir zu. Ich hatte sofort ein vertrautes Gefühl ihr
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