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Das Erbe des Vaters

Das Erbe des Vaters

Titel: Das Erbe des Vaters
Autoren: Judith Lennox
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Stimme des Sterbenden war ein Nachhall der Starrköpfigkeit und des Stolzes von früher. Als Caleb aufblickte, sah er, daß durch die Hitze im Zimmer die Fensterscheiben beschlagen waren. Man konnte den Park von Swanton Lacy nicht sehen.
    Daubeny murmelte: »Der ganze Besitz wird nach meinem Tod verkauft. Das Haus wird abgerissen werden, vermute ich – zu was anderem ist es auch nicht mehr gut. Ich habe die ganze Zeit darauf gewartet, daß es mir über dem Kopf einstürzt. Dann wird das Land verkauft werden, damit die Erbschaftssteuer beglichen werden kann. Und dann werden sie hier lauter kleine Schuhkartons hinstellen und sich damit eine goldene Nase verdienen.«
    Er gab ein merkwürdiges Geräusch von sich. Caleb brauchte einen Moment, um zu erkennen, daß es Gelächter war. »Was meinst du, was für Namen sie den häßlichen kleinen Straßen geben, die sie hier anlegen werden? Swanton Street? Daubeny Close? Oder etwas ähnlich Albernes? Was meinst du, wird so mein Name weiterleben, in einer Reihe billiger roter Backsteinbungalows?«
    Er begann zu husten. Es war ein schreckliches Geräusch, als ertränke er an der Flüssigkeit in seinen Lungen. »Wasser!« stieß er hervor.
    Auf dem Nachttisch stand eine Karaffe. Caleb goß Wasser in ein Glas und half Daubeny, sich aufzusetzen. Der sank, nachdem er getrunken hatte, mit geschlossenen Augen zurück in die Kissen.
    Er sagte leise: »Ich habe das nie gewollt. Was den Coles zugestoßen ist. Es hat mir immer leid getan. Besonders um das kleine Mädchen.«
    Caleb verspürte eine Aufwallung von Zorn. Es lag ihm auf der Zunge zu sagen: Du hast es vielleicht nicht gewollt, aber du hast es getan. Doch er unterdrückte die Worte und sagte statt dessen: »Ich heirate sie. Ich heirate Romy Cole.« Denn das würde er tun. Ganz gleich, wie lange er brauchte, um sie zu überreden.
    Daubeny lag mit geschlossenen Augen. Als Caleb gewiß war, daß er schlief, berührte er seine Hand. Die Knochen schienen die papierdünne Haut durchstoßen zu wollen. Wenn er diese Hand drückte, würde sie in Staub zerfallen. Was immer Daubeny getan hatte, wozu auch immer sein Hochmut und seine Arroganz ihn verleitet hatten, das hier hatte er nicht verdient.
    Caleb trat ans Fenster und rieb mit der Hand über die Scheibe. Durch den feuchten Belag hindurch war der Garten nur verschwommen zu sehen, der Rasen, die Bäume und der Teich verschmolzen zu einem Aquarell in Blau, Silber und Grün.
    Er ging. Evelyn erwartete ihn am Fuß der Treppe. »Wie war er?« fragte sie.
    »Er hat nicht viel gesprochen. Er ist eingeschlafen.«
    »Ja, er schläft jetzt sehr viel.« Sie sah ihn an. »Sie trinken doch eine Tasse Tee mit mir, Caleb?«
    Es wäre unhöflich gewesen abzulehnen. Er folgte ihr in die Küche. Sie sagte: »Ich habe einen Artikel über Sie in Homes and Gardens gelesen. So habe ich Sie aufgestöbert.«
    Die Zeitschrift hatte einen Bericht über den Garten gebracht, den er für die Harbornes gestaltet hatte. Er wartete, während Evelyn Daubeny den Tee machte, Brot und Schinken schnitt.
    »Meine Mutter hat mir erzählt, Sie hätten Mr. Daubeny verlassen«, sagte er.
    Sie stellte Teller auf den Tisch. »Ich bin zu meiner Mutter nach Bournemouth gezogen. Ich lebe jetzt seit drei Jahren dort. Meine Mutter ist vor anderthalb Jahren gestorben.«
    »Das tut mir leid.«
    »Es war ein schneller Tod, zum Glück. Nicht wie das hier.«
    »Und Sie sind …« Er schwieg; er wußte nicht, wie er es taktvoll formulieren sollte.
    »Gesund?« Sie lächelte. »Wollten Sie mich das fragen, Caleb? Ja, ich bin gesund. Es geht mir gut. Ich irre nicht mehr im Regen umher und beschimpfe unschuldige Vorüberkommende. Es wird Sie freuen, das zu hören. Das damals tut mir leid. Es muß für Sie sehr peinlich und schmerzhaft gewesen sein.«
    Er murmelte: »Na ja, ich weiß nicht, wie das mit der Unschuld ist.«
    »Aber natürlich waren Sie unschuldig«, sagte sie bestimmt. »Keiner von uns kann etwas für die Umstände seiner Geburt. Das wenigstens haben mich meine Kinder gelehrt.« Als sie seinen Blick bemerkte, sagte sie: »Sie sind nur geliehen, aber eine Zeitlang sind sie meine Kinder. Ich leite nämlich ein Heim für ledige Mütter, wissen Sie.«
    »Ach«, sagte er.
    »Es ist ein schönes Heim. Keine Regeln und Vorschriften. Ich bemühe mich, den jungen Frauen ein Zuhause zu geben, ein richtiges Zuhause. Ein Zuhause, wie ich selbst es gern in meiner Kindheit gehabt hätte.« Sie nahm eine Kuchendose von einem Bord. »Unser
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