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Das Erbe des Loewen

Titel: Das Erbe des Loewen
Autoren: Suzanne Barclay
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sie beim Feuer, tief über eine Schüssel gebeugt, die auf einem dreibeinigen Gestell stand. Ihr kastanienbraunes Haar verdeckte ihr Gesicht, als sie sich tief über die Schale neigte.
    „Was siehst du, Nessie?“ Duncans Stimme fehlten die Kraft und der Befehlston, die ihr sonst zu Eigen waren.
    „Nichts. Ich bin so zerstreut, dass ich kaum etwas sehen kann.“
    Die Worte schienen Laurels Versuche als Seherin zu höhnen. Sosehr sie es auch versucht hatte, ihr waren keine Bilder in der alten goldenen Schale erschienen.
    „Versuche es noch einmal“, befahl Duncan. „Ich muss wissen, wo Kieran ist, bevor es mit mir zu Ende geht.“
    Kieran? Wer ist dieser Kieran? wollte Laurel fragen, doch sie zögerte, eine Beschwörung zu unterbrechen, an der sie keinen Anteil hatte. Stille legte sich über das Gemach, nur unterbrochen durch das Knistern der Flammen und den rauen Atem Duncans.
    „Ah!“ rief Nesta aus. Das Feuer warf flackernde Schatten auf Nestas rötliches Haar, als sie sich zum Bett umwandte. „Ich habe ihn gefunden, Vater.“
    „Wie weit ist er noch von Edin entfernt?“
    „Er ist auf der anderen Seite des Passes, denn er hat den Fluss und die Hügel bereits hinter sich gelassen. Ellis hat ihn
    getroffen, und sie reden miteinander.“
    Laurel zuckte zusammen. Wieso hatte der Hauptmann von Edins Wache ihr nicht gesagt, dass er diesen Kieran treffen wollte?
    „Und keinen Augenblick zu früh“, sagte Duncan. „Sitz hier nicht herum und starr ins Feuer, Mädchen, sag mir lieber, wie er aussieht.“
    Nesta beugte sich wieder über die Schale und blickte so lange hinein, dass Laurel glaubte, vor Ungeduld zu zerspringen. „Verbittert.“
    „Verbittert? Er ist doch erst dreiundzwanzig“, sagte Duncan.
    „Sein Gesicht ist jung, doch seine Augen blicken kalt und graus...“
    „Vielleicht siehst du den falschen Mann. Beschreibe ihn.“
    „Schwarzes Haar, kräftige Gestalt, eine tiefe Grube in seinem Kinn und ... violette Augen. “
    Violette Augen! Ungläubig machte Laurel einen Schritt vorwärts. Als sie neben ihre Tante trat und in dem dunklen Wasser ein Gesicht erkannte, wusste sie: Er war es. Diese Erkenntnis ließ ihre Knie weich werden, und sie sank zu Boden. Nicht einmal die Kälte des Steins spürte sie unter ihren Knien. Es konnte nicht sein, und doch war es.
    Der Mann aus ihren Träumen.
    „W.. .wer ist er?“ flüsterte Laurel, wie gelähmt durch den Anblick.
    „Kieran Sutherland“, antwortete Duncan. „Der Ritter, den ich angeworben habe, um uns vor diesen verdammten Wegelagerern zu schützen.“
    Laurel straffte sich. „Du hast einen Fremden hierher geholt?“
    „Ich kenne ihn. Er ist ein Söldner, dessen Wege ich seit langem verfolge.“ Die Erregung rötete Duncans Wangen, als er fortfuhr, Kierans Erfolge auf dem Schlachtfeld und in den Turnieren aufzuzählen. „Er ist der Enkel einer Frau, die ich einmal liebte. Ich schrieb ihr vor ein paar Jahren und ... nun, nicht so wichtig. Es genügt, wenn ich sage, dass ich Kieran eine Botschaft zukommen ließ, als ich erfuhr, dass er nach Schottland zurückkehrte. Glücklicherweise erreichte ihn meine Nachricht in Berwick. Glücklicher noch, dass er zustimmte, in unseren Dienst zu treten.“
    Laurel starrte das Bildnis an, und die Erinnerung an ihren Traum und an die Gier in Kieran Sutherlands Augen stieg in ihr auf. „Ich will alles, was du bist und sein wirst“, hatte er gesagt. Gieriger Schurke. Genauso wie Aulay wollte er nur
    Edin. „Er kann nicht bleiben“, stieß sie hervor.
    „Ich weiß, dass du allen Fremden misstraust, aber Kieran ist unsere einzige Hoffnung.“
    „Er will Edin für sich“, behauptete Laurel, und als ihr Großvater weiter in sie drang, sagte sie: „Ich ... ich hatte einen Traum.“
    „Willst du sagen, du hast vorhergesehen, dass Kieran mich angreift?“
    „Nein, doch er ...“
    „Ist hier, um uns zu helfen.“
    „Großvater!“ rief Laurel verletzt und enttäuscht.
    Nesta legte die Hand auf ihren Arm. „Was hast du gesehen?“ Laurel seufzte. Nicht, was sie gesehen, sondern was sie gefühlt hatte, sorgte sie. Gefahr. Niemand würde ihr glauben. Sie musste selbst einen Weg finden, zu beweisen, dass Kieran Sutherland nicht nach Edin Valley gehörte.
    Kieran blinzelte in die Sonne und ließ den Blick über die zerklüfteten Bergspitzen gleiten, die vor ihm lagen. Majestätisch erhoben sich die Gipfel über den sanften Hügeln des Grenzlandes, drohend wie die Zähne eines wilden Tieres aus Urzeiten, das das
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