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Das Erbe des Alchimisten

Das Erbe des Alchimisten

Titel: Das Erbe des Alchimisten
Autoren: Christopher Pike
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meinem früheren Leben niemals nach Whittier verirrt – und es auch nie bereut. Wir mieten ein kleines Haus mit drei Schlafzimmern in der Nähe eines großen Einkaufszentrums. Ray hat es für uns ausgesucht. Es gibt einen großen Hinterhof und einen kleinen Garten mit einem Olivenbaum vor dem Haus. Wir besorgen uns einen Gebrauchtwagen und kaufen unsere Lebensmittel in einem Supermarkt ganz in der Nähe. Ich mußte tatsächlich fünftausend Jahre alt werden, um all diese ganz normalen Dinge zu tun.
    Doch auch jetzt, nach acht Wochen mit Ray, bin ich noch immer glücklich. Neben ihm aufzuwachen, mit ihm spazierenzugehen, im Kino Hand in Hand dazusitzen – all diese simplen Dinge bedeuten mir mehr als das meiste, was ich in meiner langen Zeit als Vampirin erlebt habe. Es liegt daran, daß ich jetzt ein Mensch bin – und bis über beide Ohren verliebt. Wie liebenswert Menschen sind! Ich ertappe mich, wie ich beim Einkaufen innehalte und sie anstarre. Viel zu lange habe ich sie bewundert, verachtet, beneidet. Nun bin ich eine von ihnen. Die Wände meines Universums sind eingestürzt. Nun sehe ich die Sonne aufgehen und erkenne die Unendlichkeit dahinter, ohne sie als Leere zu empfinden. Der Schmerz in meinem Herzen, der durch einen brennenden Pflock verursacht wurde, ist immer weniger spürbar. Die Leere ist ausgefüllt.
    Und dann entdecke ich, daß ich schwanger bin.
Es ist zur Zeit des Vollmonds, zwei Monate nachdem die Bombe unter dem vollen Mond in der Wüste detonierte. Ein Test zum Selbermachen aus der
    Apotheke bringt mir die gute Nachricht. Ich stehe im Badezimmer und schüttele das blaue Teströhrchen, und als ich einen lauten Schrei ausstoße, kommt Ray angerannt. Er will wissen, was los ist. Ich zittere vor Aufregung, denn ich bin sicher, daß es nicht stimmen kann. Eine Gelegenheit, Ray das Testergebnis im Röhrchen zu zeigen, habe ich nicht mehr, denn ich verschütte den Inhalt vor Aufregung über ihn. Doch er versteht auch so und lacht und ist überglücklich mit mir.
Es ist derselbe Tag, an dem ich im Buchladen in der Babyabteilung Paula Ramirez kennenlerne. Sie ist eine hübsche junge Frau von ungefähr fünfundzwanzig Jahren, hat langes, schwarzes Haar, das genauso seidig schimmert wie ihr Teint, und einen riesigen Bauch. Offenbar wird ihr Baby bald kommen. Ich lächle sie an, während sie, mit einem Stapel Schwangerschaftsbücher auf dem Arm, versucht, sich ein Buch über Geburt vom Regal zu holen.
    »Wissen Sie«, sage ich, »daß Frauen schon viel länger Kinder kriegen als es schlaue Bücher über Schwangerschaft und Geburt gibt? Es ist ein ganz natürlicher Vorgang.« Damit stelle ich mein eigenes Buch ins Regal zurück. »Abgesehen davon glaube ich nicht, daß all diese Autoren wirklich wissen, wovon sie schreiben.«
    Sie nickt. »Sind sie schwanger?«
»Ja. Und wenn mich nicht alles täuscht, Sie ebenfalls.« Ich strecke ihr meine Hand entgegen, und weil ich sie – auch ohne sie näher zu kennen – mag, sage ich ihr einen meiner wahren Namen. Auch jetzt, als Mensch, vertraue ich noch meistens meiner Intuition. »Ich bin Alisa.«
Sie ergreift meine Hand und schüttelt sie. »Paula. Wie weit sind Sie?«
»Keine Ahnung. Ich war noch nicht mal beim Arzt. Allerdings kann es nicht mehr als der zweite Monat sein, wenn nicht Gott selbst der Vater ist.«
Aus irgendeinem Grund verschwindet das Lächeln aus Paulas Gesicht. »Leben Sie hier in der Gegend?«
»Ja. Nah genug, um zu Fuß zu diesem Einkaufszentrum zu gehen. Und Sie?«
»Ich wohne auf der Grove Street«, antwortet Paula. »Wissen Sie, wo das ist?«
»Nur einen Block von uns entfernt.«
Paula zögert. »Verzeihen Sie, daß ich so etwas frage, aber sind Sie verheiratet?«
Es ist wirklich eine reichlich merkwürdige Frage, aber ich fühle mich dadurch nicht kompromittiert. »Nein. Aber ich wohne mit meinem Freund zusammen. Sind Sie verheiratet?«
Ein Schatten gleitet über ihr Gesicht. »Nein.« Sie streicht über ihren riesigen Bauch. »Ich muß allein für es sorgen. – Ich arbeite in St. Andrews. Es ist nicht weit von Ihnen entfernt.«
»Ich habe das Kreuz gesehen. Was tun Sie in St. Andrews?«
»Eigentlich soll ich der Mutter Oberin assistieren, aber meistens bleibt es an mir hängen, alles zu tun, was nötig ist. Das bedeutet auch, die Badezimmer zu schrubben, wenn sonst keiner es macht. Die Kirche und die angeschlossene High School haben ein ziemlich knappes Budget.« Sie zögert, um dann wie entschuldigend hinzuzufügen: »Aber ich mache
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