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Das Erbe des Alchimisten

Das Erbe des Alchimisten

Titel: Das Erbe des Alchimisten
Autoren: Christopher Pike
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murmelt er mit unsicherer Stimme, »ich habe Frau und Kind zu Hause. Wer wird sich um sie kümmern, wenn ich nicht mehr da bin?«
»Ich habe sogar zwei Kinder«, erklärt John leidenschaftlich.
Aber ich lasse mich nicht umstimmen. Nur weil ich jetzt ein Mensch bin, bin ich noch lange nicht leichtgläubig und naiv.
Normalerweise töte ich nicht, wenn es nicht notwendig ist. Ich töte nicht aus Spaß. Doch diese beiden werden anderen Menschen Schaden zufügen, wenn ich sie leben lasse, das spüre ich, also ist es besser, sie jetzt zu töten.
»Für eure Kinder ist es besser, nicht mit Vorbildern wie euch aufzuwachsen«, sage ich.
Eds Gesicht ist naß von Tränen. »Nein!« schreit er.
»Ja«, sage ich und schieße ihn in den Kopf. Er kippt um.
Dann richte ich die Waffe auf John, der langsam rückwärts geht und dabei heftig den Kopf schüttelt.
»Hab Mitleid«, bittet er. »Ich will nicht sterben.«
»Dann hättest du niemals geboren werden dürfen«, antworte ich.
Damit schieße ich ihm zweimal ins Gesicht.
Mehr tue ich nicht. Der Durst, den ich sonst stets verspürt habe, existiert nicht mehr.
Ich überlasse ihre Körper den Fischen.
    3.
Kapitel
    Auf dem Rückweg wird mir bewußt, was ich getan habe. Früher hätte ich nur ein paar Sekunden über die Tötung solch menschlichen Abschaums nachgedacht. Aber jetzt spüre ich den Schock über mein Tun in jeder Faser meines Körpers. Meine Reaktion ist absolut die eines Menschen. Ich zittere am ganzen Körper, als ich über den Strand zurück auf die Ocean Avenue stolpere. Mir ist kaum bewußt, daß ich die Pistole immer noch in der Hand halte. Als es mir auffällt, verstecke ich sie unter meinem Sweatshirt. Wenn ich bei Sinnen wäre, hätte ich sie längst in den Ozean geworfen – schließlich ist es um diese Zeit möglich, daß mich eine Polizeipatrouille anhält und kontrolliert. Aber es gelingt mir nicht, mich von meiner Waffe zu trennen. Ich fühle mich so unendlich verletzlich, daß ich sie als einen Schutz empfinde.
    Drei Blocks vom Meer entfernt gibt es einen Coffee Shop, der um diese Zeit noch geöffnet ist. Ich stolpere hinein, setze mich an einen Tisch in der Ecke und bestelle mir eine Tasse schwarzen Kaffee. Erst als das dampfend heiße Getränk ankommt und ich meine zitternden Hände um den Porzellanbecher lege, bemerke ich die vielen kleinen Blutstropfen vorne auf meinem Sweatshirt. Da vermutlich auch mein Gesicht etwas abbekommen hat, wische ich mir heftig darüber – und blicke im nächsten Moment entsetzt auf meine roten Handballen. Was bin ich doch für eine Närrin, mich so in der Öffentlichkeit zu zeigen! Ich will gerade gehen, als ein Mann den Coffee Shop betritt, geradewegs auf meinen Tisch zukommt und sich mir gegenüber niederläßt.
    Es ist Ray Riley. Die große Liebe meines Lebens.
Und ich dachte, er sei tot.
Er nickt leicht, als er sich hinsetzt, und mir fällt auf, daß er genau dieselben
    Sachen trägt, die er anhatte, als er den Tankwagen angezündet hat, der vor dem Lagerhaus mit Eddie Fenders gefährlichen Vampirfreunden stand, und sich selbst durch die Explosion zerfetzt hat. Als er sein eigenes Leben geopfert hat, um das meine zu retten. Er trägt eine schwarze Hose, ein kurzärmeliges weißes Seidenshirt und Sportschuhe von Nike. Seine braunen Augen schimmern warm wie immer, sein gutgeschnittenes Gesicht wirkt unter dem sanften Lächeln ernst. Ja, es ist Ray. Es ist ein Wunder, und sein Anblick wirbelt so unterschiedliche Gefühle in mir auf, daß ich kaum noch etwas empfinde. Ich habe einen Schock, schlicht und einfach. Ich kann ihn nur mit tränenfeuchten Augen anstarren und mich fragen, ob ich langsam meinen Verstand verliere.
    »Ich weiß, daß es eine Überraschung für dich ist«, sagt er sanft.
Ich nicke. Ja, es ist eine Überraschung.
»Ich weiß, daß du mich für tot gehalten hast«, fährt er fort. »Und ich glaube,
    eine Zeitlang war ich auch tot. Als der Truck explodierte, sah ich einen unglaublich hellen Lichtblitz. Dann wurde alles schwarz, und ich hatte das Gefühl, am Himmel zu schweben. Ich sah und wußte nichts mehr, und ich hatte keine Schmerzen. Ich weiß nicht, wie lange dieser Zustand anhielt. Irgendwann wurde ich mir meines Körpers wieder bewußt, aber irgendwie hatte ich das Gefühl, ihn aus großer Distanz zu sehen. Merkwürdigerweise konnte ich nur einzelne Teile davon spüren: einen Teil meines Kopfes, eine schmerzende Hand, ein Brennen in meinem Magen. Das war zuerst alles. Aber langsam spürte ich auch
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