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Das Erbe der Uraniden

Titel: Das Erbe der Uraniden
Autoren: Hans Dominik
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schnippte die Asche von seiner Zigarette.
    »Wünschen Sie, daß ich Sie irgendwo absetze, damit Sie zurückkehren können zu Ihren Freunden?«
    Awaloff schüttelte lächelnd den Kopf. »Freundschaft?« Er blies einen Rauchring von sich, der langsam zerflatterte. »Nein, mein lieber Canning, wer weiß, was sich in Rußland in nächster Zeit abspielen wird. Ich habe vorläufig keinen anderen Wunsch, als mit Ihnen nach Südamerika weiterzufliegen… Meine Beziehungen zu den Sowjets bitte ich in Anbetracht der veränderten Umstände zur Zeit als gelöst zu betrachten.«
    »Wie Sie wünschen, Awaloff. Morgen werden wir die Küste von Venezuela erreichen. Sie sagten soeben vorsichtigerweise ›zur Zeit‹. Warum das? Hatten Sie da die Möglichkeit ins Auge gefaßt, die Niederlage des Bolschewismus sei nicht endgültig?«
    »Wer kann in die Zukunft schauen? Für absehbare Zeit dürfte allerdings die Sache hoffnungslos sein. In Rußland steht zweifellos eine Restauration bevor. Nachdem ich jahrelang für die Regierung gearbeitet habe, dürfte ich den neuen Machthabern nicht gerade genehm sein.«
    »Haben Sie eigentlich Familienangehörige in Rußland, mein lieber Awaloff? Sie haben mir nie etwas darüber erzählt.«
    Awaloff stand auf, ging ein paarmal nachdenklich auf und ab. Trübe Erinnerungen schienen in ihm aufzuleben.
    »So hören Sie denn. Ich will mich kurz fassen. Ich heiratete in jungen Jahren, bald nach dem Zweiten Weltkrieg. Meine Frau war Tscherkessin, von großer Schönheit, wie sie den Frauen dieses alten Volkes oft zu eigen ist. Wir hatten ein Töchterchen, Maria, das unser ganzes Glück war. Während ich mit einem politischen Auftrag in Südamerika weilte, brach in Südrußland der große Aufstand aus, der so überaus blutig unterdrückt wurde und zur Verwüstung der betreffenden Gebiete führte.
    Lange Zeit blieb ich ohne jede Nachricht über den Verbleib meiner Familie. Als ich endlich an unseren Wohnort im Kaukasus zurückkehrte, fand ich unser Häuschen zerstört. Kein Mensch konnte mir sagen, was aus meiner Frau und meinem Töchterchen geworden war. Alle Nachforschungen blieben ergebnislos. Ich habe nie wieder etwas von ihnen gehört.«
    Awaloff fuhr sich über die Augen, als scheuche er trübe Bilder weg, dann trat er an das Fenster der Kabine und schaute lange zu dem hellen Sternenhimmel. Nur schwach tönte von unten das Rauschen der Ozeanwogen. Canning schritt langsam in den Gang, der zu dem Maschinenraum führte.
    Awaloff ließ sich auf einen Sessel fallen, schloß die Augen – bemerkte nicht, wie sich das Flugschiff allmählich während der Fahrt aus seiner großen Höhe senkte… Er achtete nicht auf Canning, der jetzt wieder in die Kabine zurückkehrte, den rechten Arm hinter dem Rücken verborgen. Wie von ungefähr trat er hinter Awaloff. Da zuckte sein rechter Arm plötzlich in die Höhe. Die Faust, die einen Schraubenschlüssel umspannte, fuhr auf den Kopf des Nichtsahnenden hernieder. Lautlos sank Awaloff zu Boden.
    Canning stand neben ihm, starrte auf den Leblosen.
    »Auch ich möchte meine Beziehungen zu den Roten lösen«, sprach er hohnlächelnd vor sich hin, »du warst das erste und das letzte Band, das mich an sie knüpfte. Es ist zerrissen.«
    Er warf einen scheuen Blick auf die Führerkabine. »Nun zu den Papieren.« Er beugte sich über den Daliegenden, untersuchte sorgfältig seine Taschen… Nichts. Sein Blick ging zu dem Gepäck Awaloffs. Sollten sie da… kaum anzunehmen. Er riß die Kleider auf… Ah, gewiß, so kostbaren Besitz trug man gut versteckt. An einer Schnur um den Hals befestigt ein kleines Paket – er riß es ab. Mit zitternden Händen entfernte er die Umhüllung.
    Da waren sie, die Zeugen seines Verrats, die Berechnungen. Ah! Und da war ja auch sogar die Quittung über die drei Millionen, die er als Judaslohn seines Verrats bekommen hatte. Mit zitternden Händen steckte er das umfangreiche Paket in die Brusttasche seines Rockes.
    Und jetzt – er eilte zum Höhenmesser – 5000 Meter nur noch über dem Meeresspiegel. Mit ein paar Sprüngen war er an der Kabinentür, löste die Sperrung, öffnete das Schloß. Treibende Wolken um das Schiff herum.
    Jetzt stand er wieder bei Awaloff. Seine Arme umschlangen ihn, hoben ihn auf. Die starke, knochige Gestalt des Leblosen war schwer. Nur mit Mühe schleifte er ihn über den Boden zu der offenen Tür, verharrte einen Augenblick schwer atmend… Da! Awaloff schlug die Augen auf, blickte wirr um sich… die offene
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