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Das entschwundene Land

Das entschwundene Land

Titel: Das entschwundene Land
Autoren: Astrid Lindgren
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entscheiden. Wahrscheinlich ist es mir schon eine eingefleischte Gewohnheit geworden, mit Genuß an die Ehe in weiter Ferne zu denken, so daß mich, wenn die Frage sozusagen näherrückt, die Lust überkommt, mich gleich einem unartigen Kind zu verstecken. Ja,. Lieber, ich weiß nicht, ob Du mich verstehen kannst oder, richtiger gesagt, ob Du mir meine Schwäche nachf ü hlen kannst, wenn Du manchmal keine andere Antwort erhältst als >ich weiß nicht<. Ich möchte kein unartiges Kind sein, weder in der einen noch in der anderen Hinsicht, vielmehr bin ich fest entschlossen, lieber gegen meinen eigenen Willen zu handeln als gegen den meiner Eltern. Also von ihrer Einwilligung hängt alles ab.«
    Aber die Einwilligung ihrer Eltern hatte Hanna. Anscheinend f ü rchtet sie die Ehe wie einen Schrank, in den man sie einsperren könnte, und deshalb verschanzt sie sich diesmal hinter dem Rücken der Eltern. Vielleicht wünschte sie auch, noch vor der Ehe etwas mehr vorn Leben zu haben. Das Lernen war ihr immer leichtgefallen, in ihrem Abgangszeugnis hatte sie in allen Fächern ausnahmslos die Note »Sehr gut«. Einst hatte sie gehofft, Lehrerin zu werden, aber die Mutter war dagegen gewesen. Ka m es ihr jetzt so vor, als gebe sie mit der Heirat unwiderruflich etwas auf?
    Auf ihren Brief antwortete Sam uel August:
    »Es freut mich, daß Du Deinen Eltern auch darin so gehorsam sein willst, sie über Dein künftiges Wohl und Wehe entscheiden zu lassen. Aber was diese Sache anlangt, muß man doch wohl darauf bedacht sein, nicht zu weit zu gehen. Denn die Alten ver mögen vielleicht nicht imm er zu erkennen, wen man liebt oder nicht, und es wäre denkbar, sie wollen, daß man einen nimmt, den man nicht lieben kann, oder auch umgekehrt. Deshalb m öchte ich, daß wir unser Heim einzig auf Liebe gründen, denn gründet man es auf das Urteil anderer, so bin ich überzeugt, daß es nicht guttut.«
    Und am Schluß schreibt er ganz demütig:
    »Habe ich Deinen Brief m ißverstanden, so übe Nachsieht mit mir, falls ich Dir darauf etwas Unpassendes geantwortet habe. Ich will doch stets nur das eine Wörtchen flüstern: › Ich hab Dich lieb. ‹ «
    Hannas Zaudern dauerte auch nicht lange. Sie versichert ihm, »Du bist ja doch mein geliebter Sem«. Und dann tat sie das Klügste, was sie tun konnte- sie heiratete Samuel August. Am 30. Juni 1905. An diesem Tag richten Jonas Petter und Lovisa Jonsson in Hult ihrer jüngsten Tochter die Hochzeit aus. Und es war eine lustige Hochzeit, versicherte Samuel August später stets, »auch wenn's weder Tanz noch Schlägerei gab«. Weniger lustig jedoch war, daß die Braut ihren Bräutigam nicht gleich nach Näs begleiten durfte. Vierzehn Tage mußte sie zu Hause bleiben, um die Große Wäsche und das Reinemachen nach der Hochzeit zu besorgen. »Daß ich so dumm war, mich darauf einzulassen!« sagte Samuel August jedesmal, wenn er daran dachte. Aber seine Schwiegermutter, die ihm übrigens sehr gewogen war, hatte es nun einmal so bestimmt. Im Kirchspiel nannte man sie »Lovisa mit den sanften Händen«, weil sie allen Frauen des Kirchspiels bei den Entbindungen half und sich so gut darauf verstand. In anderen Dingen war sie vielleicht nicht ganz so sanft, zumindest setzte sie ihren Willen in allem durch.
    Schließlich durfte Samuel August seine ersehnte Braut nach Näs holen, wo sie dann sechsundfünfzig Jahre lang zusammen leben sollten.
    Kaum hat sich Hanna in ihrem neuen Heim eingerichtet, schreibt sie einen Brief nach Hult, der die Eltern sicherlich sehr erfreut hat.
    »Meine lieben Eltern! Euer Kind sendet Euch hiermit seines Herzens demütigen und innigsten Dank für alles. Auch wenn ich meine Dankbarkeit darüber, so gute und liebevolle Eltern und Geschwister zu haben, weder zeigen noch ausdrücken kann, empfinde ich dennoch genauso tief und inniglich und hebe meine Augen dankbar auf zu dem gütigen Gott, der sie mir nebst einem mir teuren Elternhaus geschenkt hat, das ich niemals vergessen werde, desgleichen nicht, wie schwer es fiel, davon zu scheiden. Jedoch bin ich hier jetzt von Tag zu Tag schon m ehr zu Hause und auch ganz sicher, daß ich mich hier wohl fühle. Und an Arbeit mangelt es ebenfalls nicht, so daß ich weder müßig gehen noch mich überanstrengen muß.«
    Sie wünscht, daß die Eltern bald zu Besuch kommen, aber »die Majorin darf erst kommen, wenn wir auch die Stube oben sowie alle Kleiderka m mern in Ordnung haben, was geschwind geschehen kann, sobald wir nur den Tischler
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