Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das entschwundene Land

Das entschwundene Land

Titel: Das entschwundene Land
Autoren: Astrid Lindgren
Vom Netzwerk:
und den Maler hier haben. Zwei Kühe haben gekalbt, Sem und ich sind heute nacht aufgestanden und haben die eine versorgt.«
    (Samuel August wurde von seinen Geschwistern Sem genannt, und auch Hanna fand diese Kurzform bequemer als Samuel August.)
    Samuel August hatte jetzt nach seinem Vater die Pfarrhofspacht übernommen, Hanna war die neue Bäuerin auf dem Hof, und kein Bauer hätte sich eine bessere wünschen können. Sie war hervorragend tüchtig in allem, was eine Bauersfrau können mußte, und w ar überall geschätzt und geachtet. Ihr war eine natürliche Sicherheit eigen, der sich niemand entziehen konnte, und ihr klarer Verstand half ihr in allen Lebenslagen. Die Pfarrersleute, ihre neuen Nachbarn, hielten sie für »gutherzig, schlicht und liebenswürdig«, und Johan in Vendlebo, ein kleiner Häusler, der sich in Näs seine Milch zu holen pflegte, fand sie »schön wie'n Maientag«. Als ihm die Milch zum erstenmal von Hanna zugemessen wurde und er kurz darauf Samuel August traf, rief er aus: »Oh, was'n Weibsbild! Reich war sie wohl auch noch?«
    Nein, reich war sie nicht. Aber wie sagt Salomo so weise von einem emsigen Eheweib: »Sie ist viel edler denn die köstlichsten Perlen!« Und emsig war Hanna. Wenn ich die Briefe lese, die sie in den ersten Jahren an ihre Eltern schrieb, sehe ich sie vor mir: eine junge, beherzte Hausfrau, die sich viel zutraut und auch auf das meiste versteht. Sie kann Kühe melken und ein Pferdegespann lenken, sie kann weben und alles, was zum Schlachten gehört, sie kann Käse bereiten und spinnen und backen, und sie kann ohne Unterlaß schaffen und das Gesinde anleiten, als hätte sie nie etwas anderes getan. Ihr Hei m mit all seinen Bewohnern umhegt und umsorgt sie, und ist sie nach kurzer Krankheit wieder genesen, spürt sie, daß »es ist, als ob es alle miteinander geradezu genießen, daß ich das Ruder wieder in der Hand habe«.
    Auch der Armen und Elenden, deren es viele gibt, nimmt sie sich an. Ihre Mutter hatte es sie gelehrt, »Lovisa mit den sanften Händen« war überall hilfreich, wo Hilfe nötig war, und sicherlich las sie mit Genugtuung, was ihre Tochter ihr nach einem arbeitsreichen Tag schrieb: »Gegen Abend ging ich mit ein bißchen Essen nach Stenbäcksroten und besuchte eine arme Frau, die einen Trinker zum Mann hat und ein Kindchen gekriegt hat.«
    Nach geraumer Zeit bekam Hanna selber ein Kindchen, doch dadurch ließ sie sich in ihrer Arbeit nicht sonderlich hindern. Als sie erfahrt, daß ihre Schwester krank zu Bett liegt, »hatte ich keine Ruhe«, schreibt sie, »bevor ich m ich nicht mit eigenen Augen überzeugte, wie es um sie stand, und so spannte ich Freja an und fuhr am Mittwoch zu ihr, trank dort Vor m ittagskaffee und fuhr dann mit dem Knaben wieder heim«. Und der Knabe ist gesund und brav, berichtet sie weiter, » für gewöhnlich schläft er noch eine gute Weile, nachdem ich in der Frühe vom Melken zurück bin«.
    Sie bekommt mehr Kinder – schließlich hat sie vier -, und da muß ihre Mutter zuweilen e ins pringen, »damit ich einmal ein bißchen verschnaufen und dies und jenes erledigen kann wie das bevorstehende Schweineschlachten«.
    Betrachtet man das Schweineschlachten und die damit verbundene Arbeitslast als Verschnaufpause, dann stellt man keine großen Ansprüche auf Freizeit.
    Und was tat ihr Mann unterdessen? Samuel August war ein weltoffener und weitblickender Mann, der an allein, was die Ge m einde betraf, regen Anteil nahm. Er versammelte die Bauern des Kirchspiels und gründete eine Genossenschaftsmolkerei, ferner einen Zuchtverein für Stiere und einen für Hengste, und ich weiß nicht, was noch alles, jedenfalls war er in vielem ein Wegbereiter und überdies ein kundiger Viehzüchter, Ackerbauer und Flursäuberer. Zu seiner Zeit wurden von den Äckern und Feldern von Näs 820 Steinhaufen beseitigt und 1 o ooo Steine ausgegraben und fortgeschafft. Wahrscheinlich schleppte er nur wenige eigenhändig davon, wofür auch die Antwort spricht, die ihm sein Sprößling ein m al gab, als er ihn in erzieherischer Absicht dazu anhielt, ein paar Steine vom Acker zu tragen. Das wollte der Vieljährige nicht, und da sagte sein Vater: »Na ja, dann bleiben sie eben liegen, und dann mußt du sie wegschaffen, wenn du selber mal Bauer hier bist.«- »Nee«, antwortete ihm das Knäblein, »dazu hab ich dann Knechte.«

    Der Pachthof in Näs an einem Sommertag im Jahre 1915- Bauer, Hausfrau, Gesinde und Kinder.
    Das »Rondell« war ein Wunder an
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher