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Das entschwundene Land

Das entschwundene Land

Titel: Das entschwundene Land
Autoren: Astrid Lindgren
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beiden das Leben dadurch so hold wie möglich zu machen.«
    Im selben Bri ef berichtet er, wie er die Mäh maschine fährt und wie gut ihm das gefällt:
    »Da kann ich dann sitzen und über vieles grübeln, während die Maschine läuft und rattert, um täglich so viele Millionen Halme als m öglich zu fällen. Zukunftspläne kann man sch m ieden, ja an so unendlich viel mehr denken, das nicht einmal auf hundert Bögen Platz fände, aber am meisten denkt man an die, die man liebt, ich jedenfalls.«
    Noch immer kutschiert er den Pfarrer – jetzt ist es ein neuer, Samuel August hat in Näs sechs Pfarrer erlebt – und bisweilen auch die Witwe des Propstes, da Hanna in einem Brief besonders betont: »Wenn Du willst, kannst Du am Sonntag auch ohne Pröpstin kommen.«
    Man hat Verständnis da für , bei einem Stell dichein sind Pröpstinnen bestimmt nur im Wege.
    Manchmal findet Hanna, daß sie sich zu selten sehen und daß Briefe allein nicht das Wahre sind.
    »Die kleine, dumme , einfältige Wahrheit ist doch die, daß ich es viel schöner fände, wenn Du hier wärst, und daß die Sehnsucht mir manchmal groß wird. Eigentlich hatte ich nicht vor, dies zu verraten, und ich bereue bereits, daß es hier steht, aber nun steht es einmal da und legt Zeugnis davon ab, wie leicht Mädchen sich verplappern.«
    Auch durc h den langen Winter zu komm en ist schwer, und in diesem Winter 1904 muß es in Sm å land viel Schnee gegeben haben, denn Hanna schreibt:
    »Weißt Du was? Jawohl, es schneit, und das Tag für Tag von früh bis spät und des Nachts auch, und sonst geschieht in Pelarne nichts Neues und Interessantes, und aus diesem einfachen Grunde kann ich Dir derlei auch nie schreiben.«
    Sam uel August, der so nahe bei Vimmerby wohnt, hat etwas mehr Abwechslung. Er kann wenigstens zu Vorträgen gehen.
    »Gestern abend war ich in einem Vortrag über London. Es war sehr interessant, etwas über diese große Stadt zu erfahren.«
    Am 1 . April, ein Jahr nach der Begebenheit unter der Traueresche, ist er wieder in der Stadt.
    » Am Abend des 1. April wanderte ich durch die Stadt, und da konnte ich nicht umhin, die Traueresche bei der Kirche aufzusuchen.«
    Nein, diese Traueresche hat Samuel August sein Lebtag nicht vergessen, und alljährlich feierte er den 1. April als Gedenktag.
    Dann kommt ein neuer Sommer und ein neuer Herbst, und noch immer findet Hanna, daß sie sich zu selten sehen.
    »Weißt Du, wenn ich ein Fahrrad und eine Braut hätte, dann hätte ich letztere ganz bestimmt zehnmal so oft besucht, wie Du es in diesem Sommer getan hast.«
    0 ja, Samuel August hatte es zu etwas gebracht, zumindest zu einem Fahrrad, auch wenn es nicht aus dem Erdboden aufgetaucht war.
    Das fehlende Rad kann ihn also von Hanna nicht fe rngehalten haben, und ich kann m i r durchaus nicht vorstellen, daß es ih m an Lust gefehlt haben sollte. Aber mit der nie endenden Arbeit am Werktag und der ständigen Hinundherkutschiererei des Pfarrers am Sonntag blieb ihm für Bräutigamsbesuche wohl nicht viel Zeit.
    Für eine Weile nimmt Hanna eine Stellung bei der Major in auf Mossebo an, der Sta ndesperson des Kirchspiels, verm utlich um sich feinere Manieren zuzulegen. Nicht daß es ihr auf Mossebo mißfallen hätte, »aber«, so schreibt sie, »ich kom m e mir vor, als wäre ich in einem großen Schrank eingesperrt«.
    Das Eingesperrtsein f ü rchtet Hanna. Vielleicht ist dies auch der Grund dafür , daß sie jetzt, als die Eheschließung näherrückt, zaudert. Inzwischen ist es I905 geworden, und in diesem Sommer soll di e Hochzeit zwischen ihr und Sam uel August stattfinden. Und da weiß Hanna plötzlich nicht mehr, ob sie noch möchte. Die beiden müssen darüber gesprochen haben, und ich kann mir Samuel Augusts Verzweiflung vorstellen, in den Briefen aber steht nur an einer Stelle:
    »Hoffentlich hast Du dieses ungewisse › Ich - weiß-nicht ‹ längst überwunden, mein kleiner Liebling, so daß Du Dir nun im Klaren darüber bist, ob Du mein werden willst? Oder solltest Du mich am Ende nicht mehr lieben können oder wollen?«
    Vierzehn Tage vergehen, bevor Hanna »die tiefe Frage« aufgreift, »die noch immer unbeantwortet ist, nämlich, ob ich Dich nicht mehr lieben kann oder will. Ach, es ist so schwer, zu antworten, wenn man mit sich selber uneins ist. Ganz gewiß habe ich Dich genauso lieb wie früher und möchte so von Herzen gern frei von jeglichem Wankelmut sein, dennoch ist mir, als schrecke ich davor zurück, eine so wichtige Sache zu
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