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Das Ende der Sterne wie Big Hig sie kannte

Das Ende der Sterne wie Big Hig sie kannte

Titel: Das Ende der Sterne wie Big Hig sie kannte
Autoren: Peter Heller
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Schüsseln mit warmem Wasser. Sie behandelte eine Frau im sechsten oder siebten Monat. Sie tröstete einen alten Mann, den man bis unters Küchenfenster weinen hören konnte. Sie erklärte mir, dass ich näher rankommen dürfe, mich unter sie mischen, das Ganze sei ein weitverbreiteter Irrtum. Wie Hepatitis C, sagte sie. So wie HIV früher. Nur über das Blut. Ansonsten …
    Der Irrtum hatte ihnen das Leben gerettet. Die riesigen Schilder an den Zäunen, hinter den Äckern: WIR HABEN DIE BLUTKRANKHEIT. Die Todesangst, die das verbreitete. Und jeder mit einem Fernglas konnte sich von der Wahrheit überzeugen: die gebeugten Gestalten wie in einen dauerhaften Wind gelehnt, die erschöpften Bewegungen, die ausgemergelten Gesichter. Das hielt die Angreifer fern und rettete ihnen das Leben, während es sie langsam tötete.
    Trotz der funktionierenden Headsets flogen wir schweigend zurück.
    In der Nacht lagen wir dicht beieinander unten an der Böschung. Beide auf dem Rücken, beide mit Blick auf die Felsenlandschaft aus glühenden Wolken, die von den Berggipfeln zerfetzt wurden. Der Halbmond übergoss sie mit Licht. Und tief in ihrem Inneren zuckten die Blitze. Ich sah sie vorbeiziehen und hoffte auf Regen, der uns zu Bangley in den Hangar treiben würde. Das Land konnte Regen gebrauchen. Da sagte sie:
    Am Ende gab es Studien. Berichte, die Anlass zur Hoffnung gaben.
    Über die Blutkrankheit?
    Hm-hm.
    Ich wartete.
    Man vermutete, dass die Autoimmunreaktion von einer Unfähigkeit des Körpers beschleunigt wird, Vitamin D herzustellen. Ein interessanter Mechanismus. So wie bei AIDS und den T-Helferzellen. Falls sich das überhaupt vergleichen lässt.
    Sie hielt inne, schaute in die Wolken.
    Ich liebe es, wenn du so redest.
    Sie versetzte mir einen Stoß mit dem Ellenbogen.
    Es gab keine Belege für die Theorie. So weit waren sie noch nicht. Alles war noch so neu.
    Und Vitamin D kann den Prozess aufhalten?
    Ja.
    Vielleicht sollten wir einen Ausflug zum nächsten Wal-Mart machen.
    Sie schwieg. Wir beobachteten die Wolken. Sie zogen vorbei, ohne sich aufzustauen. Nicht hier bei uns. Der Regen, falls sie Regen brachten, würde sich an den Gipfeln entladen.
    Hey, murmelte ich, möchtest du mein Lieblingsgedicht hören? Es wurde im neunten Jahrhundert in China geschrieben.
    Ich glaube, sie dachte an irgendwas Medizinisches, aber dann spürte ich, wie sie sich an mich schmiegte. Und zuckte. Nicht so wie Jasper, im Traum, sondern ein Zucken wie im freien Fall, beim Einschlafen.
    *
    Ungefähr zu der Zeit. Das weiß ich jetzt. Bangley hatte den Kalender in meinem Hangar weitergeführt bis zum Tag des Angriffs, was ich sehr rücksichtsvoll von ihm fand. Also. So wussten wir, dass es am 19 . Juni passiert war. Wie lange er hinter dem Roten Riesen gelegen hatte, konnte er nicht mehr sagen. Mindestens eine Woche, schätzte er.
    Um den 4 . Juli rum arbeitete ich im Garten. Ich erlegte Kartoffelkäfer, einen nach dem anderen. Cima war bei den Familien. Ich hatte sie am Morgen hingeflogen, und sie hatte mich gebeten, sie zum Abendessen wieder abzuholen. Sie wollte den ganzen Tag dort verbringen. Sie hatte Vitamin-D-Infusionen dabei, für die Kinder. Sie konnte sich einfach nicht von ihnen fernhalten.
    Ich arbeitete im Garten. Sie war nicht da. Bangley spielte Schach mit Pops. Das taten sie oft. Sie saßen auf der Veranda meines Hauses in den knarrenden Korbstühlen und spielten Schach wie in einer apokalyptischen Parodie auf eine idyllische Landlebenszene von Norman Rockwell. Bangleys Stock lehnte am Geländer. Er war der bessere Schachspieler, aber wenn er abgelenkt war, konnte Pops ihn schlagen.
    Ich zerquetschte Kartoffelkäfer mit den Fingern und hörte ein vertrautes Geräusch. So vertraut, dass ich zunächst nicht reagierte. Aber. Es war schon so lange her. Ich legte den Kopf in den Nacken und blinzelte in die Sonne, und dann entdeckte ich sie: zwei Kondensstreifen. Parallel zueinander, leicht versetzt. Wie der ferne Ausstoß eines Doppelauspuffs.
    Nein, ich träumte nicht.
    Seit Jahren war ich nicht mehr so schnell gerannt. Ich rannte zum Biest, legte den Hauptschalter um und schaltete das Funkgerät ein. Ich hatte einen Scanner, der die Frequenzen absuchte, die Skala rauf- und runterlief, aber nichts. Rauschen. Die Zahlen liefen immer weiter. Blieben hängen wie ein Rouletterad. Ein Innehalten, eine Lücke im Schneesturm. Eine Stimme, Worte. Bevor ich auf den Mikrofonknopf drückte, zwang ich mich zum Zuhören, aber ich konnte
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