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Das Ende der Sterne wie Big Hig sie kannte

Das Ende der Sterne wie Big Hig sie kannte

Titel: Das Ende der Sterne wie Big Hig sie kannte
Autoren: Peter Heller
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Schulter.
    Sie haben ihn hier drinnen erwischt. Bei der Arbeit. Es ist tagsüber passiert. Mit einem Angriff am helllichten Tag hat er nicht gerechnet. Sie sind zur Vordertür rein, und er hat die erste Welle überlebt und sie zurückgeschlagen. Er hat sie auf Abstand gebracht, und dann ist er rauf in den ersten Stock, von wo aus er einen besseren Blick hat, einen besseren Winkel, und dann hat er sie von oben bekämpft. Wahrscheinlich hatten die wenigsten von ihnen Schusswaffen.
    Ich sprang die Treppe hoch. Fast blieb mir das Herz stehen. Was würde ich entdecken? Ich war noch nie hier oben gewesen, niemals. Im Flur noch mehr Fotos von der blonden Familie. Beim Skifahren, beim Segeln, in einer Strandhütte, unter Palmen, ein goldgelber Labrador auf einer Blumenwiese. All das sah ich im Vorbeilaufen, während ich über den knöcheltiefen Teppich sprintete und nur ein Mal kurz stehen blieb, um mich zu orientieren und die Vorderseite zu finden. Dieses Zimmer hier. Ich stieß die angelehnte Tür auf.
    Ein Kinderzimmer, das eines Jungen. Auf dem Bett eine gesteppte Tagesdecke mit Cowboys und sich aufbäumenden Ponys, an der Wand darüber ein Poster von Linu Linu im Bikini. An den anderen Wänden Kästen mit aufgespießten Schmetterlingen, in der Ecke eine E-Gitarre. Slalomskier, unter der Dachschräge ein kurzes Surfbrett. Eine grellgrüne Darstellung der Schlange im Apfelbaum, darunter eine sich abwendende, nackte Eva, die Brüste kaum von den lockigen Haaren verdeckt: SIN SURFBOARDS. Ein NASCAR-Poster mit Autogramm. Auto Nummer 13 .
    Im Poster steckten zwei Pfeile, echte Jagdpfeile, und die Wand darüber war von Kugeln durchlöchert.
    Zwei Dosen Copenhagen und eine Kaffeedose von Folgers als Spucknapf neben dem Bett. Ein Nachtsichtgerät und zwei Glocks im Halfter am Kleiderständer. Jesus. Hier wohnte der Sohn, und hier wohnte Bangley. Hier wohnte er. Es war der Hammer. Es sah aus wie in einem dieser Zimmer, wie sie fürs Geschichtsmuseum zusammengestellt werden. Ich musste an Bangleys Vater denken, den er gehasst hatte, und ich dachte: Jede Wette, so ein Zimmer wie das hier hatte er nie. Vielleicht eine Wiedergutmachung für den erlittenen Verzicht, oder vielleicht war es noch verdrehter, wer wusste schon, wie es war, in diesem Museum zu leben, in diesem Raum voller Requisiten. Das Sonnenlicht fiel durchs Dach ein. Das Loch war einen halben Meter breit. Nirgendwo Explosionsspuren, wie zum Teufel kam das Loch dahin? Oh. Beinahe wäre ich durch ein fast gleich großes Loch im Boden gefallen. Die Gedanken schossen durch meinen Kopf und kollidierten wie NASCAR-Autos. Am Fenster lagen Sandsäcke aufgestapelt. Keine Spur von Bangley, was zu diesem Zeitpunkt ein gutes Zeichen war.
    Ich stand in der Mitte des Zimmers, schnappte nach Luft, atmete durch. Trat ans scheibenlose Fenster und schaute auf unser Camp hinunter, auf unseren Flughafen, und spürte, wie ein bedrücktes Lachen in meiner Kehle aufstieg.
    Von hier oben konnte er fast alles sehen. Die Böschung am Rollfeld, wo ich mit Jasper schlief, der Müllcontainer, den wir neben mein Haus gezerrt hatten, meine Hausattrappe. Er konnte die Veranda und die Eingangstür des Hauses sehen, die lange Reihe verrosteter Flugzeugrümpfe, beide Eingänge der Flughafenverwaltung, das Eingangstor meines Hangars. Es gab kaum etwas, das er von hier oben nicht im Blick hatte. Natürlich, er hatte das Zimmer deswegen ausgesucht. Ich weiß auch nicht, warum ich nicht früher auf den Gedanken gekommen war. Dass er, als ich ihn in der Nacht wegen der ungebetenen Besucher anfunkte, die ganze Szene im Blick hatte. Er wusste, wie viele hinter dem Container kauerten, wie sie bewaffnet waren, wie viele sich in der Dunkelheit dahinter rumdrückten. Er wusste das alles, bevor er zu meiner Böschung geschlendert kam, vermutlich hatte er da schon die Reihenfolge festgelegt, in der er sie erschießen würde. Deswegen war er kein bisschen überrascht, bewältigte jede Situation mit derselben Gelassenheit. Scheiße. Und dann die Sandsäcke. Wahrscheinlich hätte er die Schüsse aus seinem Scharfschützengewehr genauso gut von hier oben abgeben können. Der verdammte Bangley. Wie weit war es? Dreihundert Meter, höchstens. Ein Kinderspiel für ihn. Und als ich dastand, stiegen Ekel und Bewunderung in mir auf, und ich musste zugeben – was? Ja, Liebe, vielleicht war es tatsächlich Liebe, die ich inzwischen für diesen kranken Spinner empfand.
    Eine Sache konnte er besser als alle anderen, nur eine
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