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Das Ende der Sterne wie Big Hig sie kannte

Das Ende der Sterne wie Big Hig sie kannte

Titel: Das Ende der Sterne wie Big Hig sie kannte
Autoren: Peter Heller
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Schlucht waren noch ganz andere Gesetze aufgehoben worden als die dieses fröhlichen Urlaubsorts.
    Ich fand es furchtbar.
    Sie streckte den Arm aus, ergriff meine Hand. Ich gehe nirgendwo hin, Hig, sagte sie. Wo sollte ich denn hingehen?
    Wohin du willst, dachte ich, aber ich sagte nichts. Woanders hin, zum Beispiel. Oder man wendet sich nach innen, immer tiefer rein. Es gibt viele Orte, an die einem kein Mensch folgen kann.
    Aber ich hielt die Klappe.
    Die Tür stand offen, da war gar keine Tür. Vielleicht hatten sie sie im Ofen verbrannt, zusammen mit den Möbeln. Die Fenster waren mit Brettern vernagelt. Jemand hatte vom Ende der Katastrophe geträumt, davon, sein Lebenswerk zu retten und das Geschäft irgendwann wieder zu eröffnen. Die Hoffnung kam mir auf einmal so lächerlich vor, fast schon krank. Wir traten ein.
    Sie hatten die Möbel nicht verbrannt: alle Tische, alle schweren Holzstühle standen im Zwielicht ineinander geschoben, schwerfällig und geduldig. In der Mitte die Feuerstelle, kreisrund und mit Steinen abgesetzt, die übliche Standarddeko einfallsloser Apr è s-Ski-Hüttenbetreiber. Vermutlich würden wir in der Küche einen Haufen Fonduetöpfe finden. Im vorderen Teil, wo Schnee und Regen reingeweht waren, war der Holzboden fleckig und verzogen, aber weiter hinten sahen wir Staub und die Spuren und den Kot von Mäusen. Am hinteren Ende ein schwerer Eichentresen, Barhocker, ein original erhaltener Rauchglasspiegel. Er warf das Licht vom Eingang zurück wie eine spiegelglatte Wasseroberfläche die Dämmerung. Cima zögerte, setzte sich in Bewegung und stellte sich an die Bar, um in den großen Spiegel zu schauen. Sie wich zurück, machte sich steif und streckte die Arme aus, und ich musste an ein Kind bei einer Tanzaufführung denken, das den nächsten Schritt vergessen hat. Black-out. Oder an das Mädchen von der Ranch, das zum ersten Mal eine Bar betritt, das Mädchen vom Lande, das völlig überfordert ist und nicht weiß, wie und was es bestellen soll. Sie betrachtete sich im Spiegel und brach in Tränen aus.
    *
    Wer war der zerlumpte, stämmige, bärtige Mann, der sie im Arm hielt? Bist du es, Hig? Du siehst so zerlumpt und zerzaust und abgewetzt aus wie ein Bison mit halb abgeworfenem Winterfell. Dir fehlt ein Zahn. Du siehst aus wie ein obdachloser Hockeyspieler.
    *
    Ich weiß auch nicht. Als wir über die letzte Bergkuppe flogen, wurde ich ein bisschen nervös. Über die Rockies, wie man früher am Flughafen sagte, so als wäre es eine große Sache. Nicht für mich. Ich meine, ja, die Berge waren beeindruckend, immerhin handelte es sich um die Kontinentale Wasserscheide, dort lag fast immer Schnee, ein ganz schlechter Ort für einen Triebwerksausfall, denn von da oben war es ein weiter Weg runter bis zur ersten Lichtung zwischen den Drehkiefern, den längst abgestorbenen Bäumen. Zu beiden Seiten, nach Winter Park genauso wie nach Nederland. Ich hielt immer einen Sicherheitsabstand von sechshundert Metern, ich flog so hoch, dass ich fast das Bewusstsein verlor, aber abgesehen davon war es keine große Sache. Außer heute. Heute war es etwas Besonderes. Wie würde es sein? Ich orientierte mich an einem niedrigen Punkt auf dem Pass, wo die alte Autostraße über den Kamm führte und wo es immer noch verschneite Stellen gab. Ich sah, wie sich mir hinter dem Grat das Tiefland entgegenhob, ein Eindruck, den man beim Überfliegen immer hat, es erhob sich und entfaltete sich wie die Flaggen, die es früher bei den Olympischen Spielen gegeben hatte, und dann tauchte hinter den letzten Ausläufern das alte Erie auf, die Landebahn südlich des Funkturms, der längst schon nicht mehr blinkte, ein langer Streifen aus Asphalt, ausgerollt wie ein roter Teppich, nur für mich. Ich war aufgeregt, Bangley wiederzusehen, das war’s. Meiner persönlichen Schätzung zufolge war ich länger als sechs Wochen weg gewesen.
    *
    Wir kletterten über die Ausläufer, und ich richtete die Flugzeugnase routiniert gen Erie aus. Ich orientierte mich an der sandigen Böschung, die sich jenseits der Interstate erhob wie eine Werbetafel, immer noch gute fünfundzwanzig Kilometer von jenem Punkt entfernt, von dem aus ich gerade auf die Landebahn einschweben konnte. Auf einmal hatte ich ein Bild vor Augen, wie ich in dem Sommer, als ich achtzehn wurde, zum Haus meiner Mom in Hotchkiss lief. Ich wollte sie überraschen. Lief die gewundene Landstraße bergauf in der Dämmerung. Die Aufregung, nach Hause zurückzukommen, die
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