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Das Ende der Geduld

Das Ende der Geduld

Titel: Das Ende der Geduld
Autoren: Kirsten Heisig
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allerdings erst Monate nach der Tat. Bis zur Verbüßung des Arrestes vergehen weitere Wochen. Möglicherweise wäre ein zusätzliches Anti-Gewalt-Training hilfreich gewesen. Aber welches kommt bei dieser speziellen Gewaltproblematik in Betracht? Es gibt eine Fülle verschiedener Angebote.
    Einige Monate später wird Paul erneut verurteilt. Wieder liegen die Taten zum Teil ein Jahr zurück. Unter anderem wird Paul Brandstiftung vorgeworfen. Eigentlich fängt alles relativ harmlos an: Paul, Ingo und ein anderer Jugendlicher langweilen sich und inspizieren eine Kleingartenkolonie. Als es Nacht wird, beschließen die drei, ein Gartenhaus aufzubrechen, was ihnen ohne Probleme gelingt. Einer der Beteiligten findet eine Flasche Brennspiritus. „Nur so" schüttet Paul die Flüssigkeit auf einen Laubhaufen mit trockenem Geäst neben dem Haus. Er lässt sich Feuer für eine Zigarette geben, die er auch zunächst anzündet. Aus Neugierde, „was passieren kann", hält er dann die offene Flamme an den Spiritus. So schnell, wie das Feuer aufflammt und sofort auf das Holzhaus übergreift, das komplett niederbrennt, können Paul und seine Kumpane gar nicht gucken. Der Sachschaden ist erheblich, der ideelle Schaden für das Rentnerehepaar, das das Häuschen in Eigenarbeit über Jahre aufgebaut und liebevoll gestaltet hat, ist nicht zu bemessen. Paul wird wegen dieser und anderer, weniger schwerwiegender Taten zu einer Jugendstrafe von einem Jahr und zwei Monaten verurteilt. Die Vollstreckung wird für die Dauer von zwei Jahren zur Bewährung ausgesetzt und Paul wird für diesen Zeitraum der Leitung und Aufsicht eines hauptamtlichen Bewährungshelfers unterstellt. Da Paul kurze Zeit später genau wie sein ein Jahr jüngerer Bruder Ingo in Untersuchungshaft kommt, bleibt für die Arbeit des Bewährungshelfers nicht viel Zeit. Paul hat die meisten Termine bei ihm ohnehin versäumt.
    Ingo hat im Wesentlichen dieselbe Entwicklung genommen wie Paul - wen wundert's? Auch er lebt nach der Trennung der Eltern zunächst beim Vater, dann bei der Mutter. Schrecklich ist beides. Die Mutter trinkt, der Vater schlägt. Gemeinsam mit seinem Bruder Felix verschlägt es Ingo zunächst in eine Kriseneinrichtung und dann gemeinsam mit Paul in ein bzw. mehrere verschiedene Kinderheime, danach in eine Wohngemeinschaft und schließlich mit dem ldeinen Bruder wieder zur Mutter. Das ewige Hin und Her tut keinem der Kinder gut. Die schulische Entwicklung verläuft entsprechend. Die fünfte Klasse der Grundschule muss wiederholt werden. Die Hauptschule verlässt Ingo mit einem Abgangszeugnis der achten Klasse; einen anschließenden vom Jobcenter geförderten Berufsfindungslehrgang als Bäcker bricht er ab. Die strafrechtliche „Karriere" verläuft gegenüber Paul etwas dezenter, insbesondere wird er nicht wegen der verheerenden Brandstiftung verurteilt. Er hat lediglich einige kleinere Diebstähle auf dem „Kerbholz".
    Der Jüngste der Lehmann-Familie, Felix, hat trotz der widrigen familiären Umstände die Grundschulzeit relativ unauffällig hinter sich gebracht. Gute Leistungen konnte er allerdings zu keinem Zeitpunkt erzielen, weshalb er die Schule weiterführend an einem pädagogischen Förderzentrum besucht, ohne einen Abschluss zu erreichen.
    Sandy hatte ich bereits als Pauls vorübergehende „Vermieterin" eingangs erwähnt. Dieser lebte zeitweilig bei ihr, auch seine Brüder Ingo und Felix hielten sich häufig dort auf. Sandy stammt eigentlich aus München. Sie hatte ein gutbürgerliches Elternhaus. Irgendwann ist sie dennoch ausgebrochen und mit sechzehn Jahren nach Berlin abgehauen. Sie hat dann ebenfalls die große Runde durch allerlei Jugendheime gedreht, verfügt über keinen Schulabschluss, aber inzwischen über eine eigene Wohnung, nachdem sie zeitweise auch in einer Obdachlosenunterkunft gelebt hat. Aus dieser Zeit stammt ihre Bekanntschaft mit Chris, der wesentlich älter ist als die Geschwister Lehmann und Sandy. Er ist auch erheblich krimineller. Seine Kindheit und Jugend in Polen sind desaströs verlaufen. Beide Eltern waren Alkoholiker, die sich nicht darauf beschränkten, Chris zu verprügeln, sondern ihn zusätzlich an Heizkörper und an sein Bett fesselten. Bereits kurze Zeit nach der Einschulung nimmt ihn das Jugendamt aus der „Familie". Es schließt sich eine nicht enden wollende Kette von Unterbringungen an. Alle scheitern letztendlich daran, dass Chris nicht in der Lage ist, sich an Regeln zu halten oder ein irgendwie
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