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Das Ende der Geduld

Das Ende der Geduld

Titel: Das Ende der Geduld
Autoren: Kirsten Heisig
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zur Polizei. Sandy hatte dann die gesamte Geschichte zügig ausgeplaudert, woraufhin sich auch die Übrigen im Großen und Ganzen rasch geständig zeigten.
    Die körperlichen Verletzungen des Opfers waren erheblich, jedoch zu keinem Zeitpunkt lebensbedrohlich. Über seine psychische Beeinträchtigung ist, wie in den meisten Fällen, nichts bekannt.
    Paul, Ingo und Chris kamen in Untersuchungshaft. Dort verblieben sie bis zur Hauptverhandlung. Paul wurde im Jahr 2008 zu einer Jugendstrafe von sechs Jahren und drei Monaten verurteilt, wobei die bereits bestehende Strafe von einem Jahr und zwei Monaten einbezogen wurde. Ingo erhielt eine Jugendstrafe von vier Jahren und zwei Monaten, Chris - als einziger Erwachsener - eine Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren und sechs Monaten, Sandy wegen Beihilfe zum schweren Raub eine Jugendstrafe von sechs Monaten auf Bewährung und Felix wegen Hehlerei eine Arbeitsweisung von 40 Stunden. Darüber hinaus wurde er für die Dauer eines Jahres der Leitung und Aufsicht eines hauptamtlichen Betreuungshelfers unterstellt.
    Straftaten junger Menschen sind in den letzten Jahren in der Öffentlichkeit zu einem Dauerthema geworden. Spektakuläre Fälle wie in München kurz vor Weihnachten 2008, als Jugendliche einen Rentner aus banalem Anlass halb zu Tode prügelten, und im Jahr 2009 der unfassbare Tod eines Mannes auf der S-Bahn-Station München-Solln, der von mehreren jungen Männern unter den Augen der Umstehenden ermordet wurde, weil er Kinder vor den Übergriffen der Täter schützen wollte, geben immer wieder Anlass zu Diskussionen, die allerdings ebenso schnell versanden, wie sie aufkommen.
    Läuft etwas schief in der Gesellschaft? Sind die Jugendrichter mit ihren Urteilen zu lasch? Müssen die Gesetze verschärft werden? Oder bauschen die Medien lediglich Einzelfalle auf und sind deshalb verantwortlich für eine verunsicherte Bevölkerung?
    Ich denke, dass neben wissenschaftlichen Abhandlungen und Medienberichten die Sichtweise einer Praktikerin hilfreich sein kann, diese Fragen einer Antwort näherzubringen.
    Der dargestellte Fall ist gar nicht bis in die Medien gelangt. Aber er zeigt eine Reihe von Faktoren, die schon lange als „kriminogen" gelten. Damit sind Lebensumstände gemeint, die geeignet sind, Menschen zur Begehung von Straftaten zu veranlassen. Hierbei ist vor allem bei deutschen Jugendlichen der Alkoholmissbrauch im Elternhaus hervorzuheben. Wenn die Eltern trinken, sind sie mit sich selbst beschäftigt, haben keine Kontrolle über das eigene Leben und sind nicht in der Lage, auf die Bedürfnisse ihrer Kinder einzugehen. Die damit meist einhergehende Arbeitslosigkeit kommt hinzu. Häufig entlädt sich der eigene Frust, indem die Kinder misshandelt werden. Dem kann auch durch wechselnde Heimunterbringungen und schulische Veränderungen nicht entgegengewirkt werden. Ich bin der Auffassung, dass die ohnehin instabilen Persönlichkeiten hierdurch nur zusätzlich verunsichert werden, was die Bereitschaft, sich allen Einwirkungen von außen zu entziehen, erhöht. Das Abgleiten in ein kriminelles Umfeld ist dann nahezu zwangsläufig.
    Dennoch: Bei allen Erklärungsversuchen springt mir die große Brutalität der Tat ins Auge. Die Täter haben meiner Ansicht nach den Tod ihres Opfers vor Augen gehabt, und er war ihnen gleichgültig. In einem gruppendynamischen Prozess haben sie sich gegenseitig immer heftiger aufgestachelt. Es gab letztendlich kein Halten mehr.
    Aber auch andere junge Menschen lassen sich zu Taten hinreißen, obwohl sie keine auffälligen Lebensläufe aufweisen.
     

Maik - oder »Justiz light«
    Maik ist mit Kumpels unterwegs. Er ist neunzehn Jahre alt und wohnt gemeinsam mit einer jüngeren Schwester noch im Haushalt seiner Eltern. Er hat trotz einiger schulischer Probleme einen erweiterten Hauptschulabschuss geschafft. Zwei Anläufe, eine Lehre zu absolvieren, scheitern, bis er schließlich einen Ausbildungsplatz bekommt, um Einzelhandelskaufmann zu werden. Er befindet sich nun im zweiten Lehrjahr. So weit, so gut, könnte man denken. Strafrechtlich vorbelastet ist er allerdings nicht gerade unerheblich: Mit fünfzehn Jahren Sachbeschädigung, Körperverletzung und Fahren ohne Fahrerlaubnis, mit sechzehn Jahren versuchter Diebstahl, mit siebzehn versuchter Einbruchdiebstahl. Staatsanwaltschaft und Gericht halten bis dahin den Ball flach. Vielleicht zu flach. Alle Verfahren werden mit oder ohne Weisungen eingestellt. Das liegt wohl unter anderem daran, dass
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