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Das Ende der Geduld

Das Ende der Geduld

Titel: Das Ende der Geduld
Autoren: Kirsten Heisig
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ebenfalls abgewandelt, ohne dass Art und Intensität der dargestellten Vorfälle verändert wurden. Die dargestellten Strafverfahren sind abgeschlossen.
    Dieses Buch nimmt überwiegend eine „Berliner Perspektive" ein. Es beinhaltet meine Sicht der Dinge. Ich vermute aber, dass sich einige meiner Beobachtungen und Schlussfolgerungen auch auf andere Großstädte übertragen lassen.
    Wir müssen uns gemeinsam Gedanken darüber machen, wie es in dieser Gesellschaft weitergehen soll. Und wir müssen handeln. Jetzt.
    Hierzu möchte ich einen Beitrag leisten. Als Richterin, aber auch als Bürgerin dieses Landes.

Jugendkriminalität - Fallbeispiele und Statistiken aus zwei Jahrzehnten

Die Lehmanns - eine deutsche Großfamilie heute
    Familie Lehmann wohnt in Neukölln. Zunächst sind noch alle beisammen. Die Eltern, das sind eine Mutter ohne erlernten Beruf und ein Vater, der als Handwerker tätig ist. Sie bekommen fünf Söhne und zwei Töchter. Das älteste und das jüngste Kind trennen vierzehn Jahre. Keine leichte Aufgabe für die Eltern! Bald trennen sie sich. Zu häufig hat der Vater geschlagen, und zwar alle und heftig. Die Mutter fängt das Trinken an, weshalb sie mit den Kindern nicht zurechtkommt. Die drei kleineren Jungen ziehen zum Vater, die Töchter kommen bei den Großeltern unter, zwei große Brüder sind bald weg, begehen Straftaten und kommen in Haft. Beim Väter haben es Paul, Ingo und Felix nicht gut. Das Prügeln hört nicht auf. Einige Jahre geht das so, dann ziehen die Jungen zur Mutter. Dort kennen sie den Alkohol schon von früher. Kein Wunder, dass Paul, der älteste der verbliebenen Jungen, mit acht Jahren erstmals Alkohol konsumiert, mit dreizehn regelmäßig trinkt und zusätzlich Cannabis raucht. Als er mit neunzehn gemeinsam mit seinen achtzehn und fünfzehn Jahre alten Geschwistern wegen schweren Raubes und gefährlicher Körperverletzung vor Gericht steht, gibt er an, täglich Bier zu trinken, mehrere Gramm Cannabis zu rauchen und am Wochenende einige Flaschen Schnaps zu sich zu nehmen.
    Erstaunlicherweise ist es ihm dennoch gelungen, im Rahmen einer berufsfördernden Maßnahme einen Hauptschulabschluss zu erreichen, denn in der Regelschule war er bereits im Grundschulalter verhaltensauffallig und aggressiv, was eine Wiederholung der zweiten Klasse und einen Schulwechsel nach sich zog. Die siebte Klasse einer Hauptschule durchlief er dreimal. Ein BB-10-Lehrgang (Berufsbefähigender Lehrgang im 10. Schuljahr) im Bereich „Kfz-Mechatroniker" verlief erfolglos, weshalb das Jugendamt ihn mit siebzehn Jahren in einem Jugendheim unterbrachte. Dort kam er nicht klar, wechselte das Heim, beging Straftaten, hielt sich vorübergehend bei Bekannten auf, um dann schließlich in eine Pflegefamilie zu ziehen. Hier lebte er knapp zwei Jahre und stabilisierte sich deutlich. In der Geborgenheit und mit der Zuwendung des Familienverbandes konnte er dann den besagten Hauptschulabschluss erwerben und sich mit seiner offensichtlichen Alkoholproblematik auseinandersetzen. Aus mir nicht bekannten Gründen endete die Unterbringung in der Pflegefamilie, was tragische Folgen haben sollte. Wahrscheinlich war er inzwischen schlicht zu alt für die Jugendhilfemaßnahme. Paul stürzt jedenfalls wieder ab, trinkt, haust bei „Freunden" bzw. bei der späteren Mitangeklagten Sandy. Es kommt zu der Tat, die ihm insgesamt sechs Jahre und drei Monate Jugendstrafe einbringen soll.
    Es wird niemanden überraschen, dass Paul viele strafrechtliche Vorbelastungen aufweist. Allerdings müssen sich die Jugendrichter in diesem Zusammenhang einmal nicht vorhalten lassen, zu lasch reagiert zu haben. Allenfalls zu stereotyp, denn unter den ersten sechs Eintragungen im Bundeszentralregister finden sich drei Arreste. Diese wurden immer länger, ohne dass man eine andere Maßnahme damit kombiniert hätte. Dabei kommt in einigen Körperverletzungen, Sachbeschädigungen und anderen Delikten ab dem 15. und 16. Lebensjahr ein massives Aggressionspotenzial zum Ausdruck: So steht Paul unter anderem wegen eines Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz vor Gericht. Seine Tat findet während einer Heimunterbringung statt. Paul amüsiert es, einen Hund, der der Familie des Hausmeisters gehört, an einen Baum zu binden und gemeinsam mit anderen Bewohnern mit einem Fußball zu beschießen. Wer das Tier trifft, erhält einen Punkt. Das Tier überlebt die Misshandlungen nicht. Das Gericht verhängt einen vierwöchigen Dauerarrest. Dies geschieht
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