Das Ende der Galaxis
stören, sondern gähnte ungerührt weiter, während er zu leuchten begann und sich in einem dunkelroten Nebel auflöste. Wir sahen zuletzt nur noch seine nadelspitzen Zähne, die sich einander näherten, als er zu gähnen aufhörte.
*
Wir schalteten die Zeitmaschine ab. Norton war und blieb verschwunden. Wir diskutierten einige Zeit darüber, bis ich schließlich die Lust verlor und kräftig an der Schnur zog. Norton kam prompt aus dem Nichts zurück und warf mir einen bösen Blick zu, weil ich zu sehr gezerrt hatte. Anscheinend hatte ich ihn bei einem Schläfchen gestört; ansonsten war er offenbar unverletzt und bei bester Gesundheit. Ich knüpfte die Schnur von seinem Hals los, und er rollte sich unter einem Tisch zusammen, um weiterzuschlafen.
Vielleicht waren Joe und ich damals nicht konservativ genug für wissenschaftliche Begriffe, Charles. Nach nur einem Tierversuch hätten wir nicht gleich mit Menschen experimentieren dürfen. Aber in unserer Begeisterung setzten wir uns über dergleichen Überlegungen hinweg. Um es genauer zu sagen: Ich war begeistert, und Joe wurde widerwillig mitgerissen. Wir warfen eine Münze hoch, um zu sehen, wer von uns beiden verschwinden würde. Ich verlor dabei. Deshalb habe ich überhaupt Gelegenheit gehabt, Deine zweiundfünfzigfache Urahnin kennenzulernen, Charles – mit Deiner Hilfe, das gebe ich zu.
Soviel ich weiß, wird Dein Freund Harl Dir diesen Brief in einem alten Buch zeigen, auf das er zufällig gestoßen ist. Du wirst ihn lesen und ihn als völligen Unsinn abtun. Harl wird ihn daraufhin Deinen Freunden Stan und Laki zeigen – und natürlich auch Ginny. Sie werden gemeinsam darauf bestehen, daß Du Dich in ihrer Gegenwart davon überzeugst, ob diese Geschichte nicht vielleicht doch wahr ist. Und Ginny, die aus der Geschichte weiß, wie alles enden soll – und die halbwegs daran glaubt –, wird besonders darauf drängen. Sie werden gemeinsam hereinstürzen, einen Riesenlärm machen und energisch verlangen, Deinem zweiundfünfzigfachen Urgroßvater vorgestellt zu werden. Und Du wirst sie wütend in Deinen Hobbyraum im Keller führen, um ihnen zu beweisen, daß sie Idioten sind. Was Dir übrigens nicht gelingen wird.
Du zeigst ihnen also Deinen Hobbyraum, in dem selbstverständlich niemand zu sehen ist. Laki – ein nettes Mädchen, wenn man für Brünette schwärmt – kichert aufgeregt; Stan und Harl sind ebenfalls etwas nervös, lassen sich aber nichts anmerken. Und Ginny wartet gespannt auf den Mann, den sie bereits aus diesem Brief kennt und der sie mit in seine primitive Welt zurücknehmen will.
Ginny trägt ein kurzes grünes Kleid und eine Halskette aus glitzernden Synthetiksteinen – keine wertvollen Steine, nur Kohlenstoffkristalle. Ihr hübsches Gesicht … Aber warum soll ich Dir Ginny beschreiben, Charles? Du kennst sie selbst, und ich kann mir vorstellen, daß es Dir bestimmt nicht leichtgefallen ist, Dich an den Gedanken einer Trennung von ihr zu gewöhnen.
Erstaunlich an Ginny ist vor allem, daß sie von Anfang an davon überzeugt war, genau zu wissen, was ich ihr gegenüber empfand (auf indirekte Weise erzähle ich es ihr jetzt), während ich vorläufig noch nichts davon wußte. Wenn es nämlich zu diesen oben geschilderten Ereignissen kommt, sind sie mir völlig neu – aber Ginny hat diesen Brief schon gelesen. Hoffentlich bringt Dich das nicht allzusehr durcheinander, Charles; Du weißt doch, daß ich auf Deine Unterstützung zähle!
*
Joe war unterdessen mit etwa zehn Meter Gardinenschnur ins Labor zurückgekommen. Wir bereiteten meine abenteuerliche Reise vor. Ich schnitt ungefähr die Hälfte der Schnur ab; Joe band mir das andere Ende an den Gürtel, aber ich war nicht damit einverstanden, mein Leben einem bloßen Gürtel anzuvertrauen. Deshalb verknotete ich den zweiten Teil der Gardinenschnur fest an meinem Knöchel.
Dann sagte ich: »Am besten machst du das andere Ende irgendwo fest, Joe.«
Ich sah zu, wie er es an die Zentralheizung band.
Mir lief ein kalter Schauer über den Rücken, aber ich behauptete: »Was Norton kann, schaffe ich noch lange! Los, Joe!«
Und Joe schaltete die Maschine ein.
Das Labor und damit meine gesamte Welt verschwand in einem purpurroten Nebel. Ich stand still. Dann bewegte ich mich vorsichtig, ohne daß etwas passierte. Der Nebel blieb an allen Seiten unverändert dicht. Mir fiel die Bierflasche ein, die wir hatten verschwinden lassen; ich sah mich nach ihr um, ohne sie jedoch zu
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