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Das Ende aller Tage

Das Ende aller Tage

Titel: Das Ende aller Tage
Autoren: Brian W. Aldiss
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bewegt. Dann wurden ihm die Beine hochgezogen und zurückgebogen, bis seine Zehen die Schultern berührten und sein Hinterteil hoch in die Luft gereckt war. Darauf wurde er wieder ausgestreckt und am ganzen Körper geknetet, wobei der Massageroboter sorgfältig die Schläuche für die intravenöse Ernährung vermied, die von der Decke herunterhingen. Wie auch immer es um ihren Geisteszustand bestellt sein mochte, die Schläfer wurden in guter körperlicher Kondition erhalten. Und die ganze Zeit schliefen sie und träumten ihre dunklen Träume.
    »Faulenzer!« sagte der Direktor wieder. Es wäre unzweckmäßig gewesen, einen Direktor zu haben, der die ihm anvertrauten Schläfer achtete oder gar liebte. Allein in den weitläufigen, automatisierten Schlafsälen, wäre er zu leicht der Versuchung ausgesetzt, seine Nase in die Träumereien dieser hoffnungslos Introvertierten zu stecken.
    Außer einigen jungen Leuten, die von echter Neugierde getrieben waren, lagen nur Psychopathen und Einzelgänger in den Traumhäusern, wo sie ihr Leben in zweckloser Träumerei hinbrachten. Unglücklicherweise stellten sie einen beachtlichen Prozentsatz der Bevölkerung dar. Der sechzig Jahre währende kalte Krieg – jetzt zum heißen Feueratem der Vernichtung entfacht – hatte eine erschreckende Anzahl geistiger Invaliden hervorgebracht, die nur zu froh waren, sich auf dem Weg über die Traumhäuser in ihre eigenen Phantasiewelten flüchten zu können.
    Floyd Milton hatte nicht ausgesehen, als gehörte er zu diesem Typ. Er sah wie ein Mann aus, der sich selbst betrogen hatte, und der darum wußte.
    Deshalb mußte der Direktor seine Träume sehen. Manchmal konnten Männer – wirkliche Männer – vor sich selbst gerettet werden, bevor sie zu tief sanken.
    Der Direktor blieb vor Miltons Bett stehen. Der Mann lag ruhig und atmete gleichmäßig. Von seinem Gesicht waren nur Mund und Nase zu sehen. Der Direktor merkte sich die Nummer, eilte zurnächsten Kontrollzelle und wählte sie. Dann setzte er sich selbst den elektrischen Helm mit Augenvisier und Kopfhörern auf.
    In wenigen Sekunden würde er automatisch in Miltons Träume eingeschaltet werden. Nach dem Gesichtsausdruck zu urteilen, den Milton beim Betreten des Traumhauses 5 zur Schau getragen hatte, würde es kein angenehmer Traum sein.
    Wie immer, wenn er sich diesen Beobachtungen hingab, verschaffte sich der Direktor in aller Eile einen geistigen Überblick über seine eigene Welt; hatte er sich einmal in die Träume eines anderen versenkt, pflegte er Orientierungsschwierigkeiten zu haben.
    Um 1970 waren die ersten bemannten Raumschiffe auf dem Mond gelandet. In den achtziger Jahren hatte man zuerst die Prinzipien der unterschwelligen Suggestion auf das schlafende Gehirn angewendet. Verbunden mit Rückkopplungstechniken, hatte dies zur Entwicklung einer Methode geführt, die jedermanns Träume lebendiger und wirklichkeitsnäher als einen dreidimensionalen Film machte. Innerhalb von drei Jahren war Traumhaus 1 errichtet worden.
    Kurz vor der Jahrhundertwende waren die Soliten gekommen. Sie kamen nicht in Raumschiffen, sondern in hausähnlichen Gebilden, die sie Transferkessel nannten und in denen sie sich selbst von ihrer Welt zur Erde funkten. Ihre Wissenschaft war eine Parawissenschaft, die weit über das Verständnis Irdischer hinausging, und doch fanden sie an der Erde ein unschuldiges Gefallen.
    »Sie liebten die Erde!« pflegte der Direktor zu sagen. Er hatte gesehen, wie die Soliten mit dem Segen der irdischen Regierungen ihre Transferkessel mit den Reichtümern der Erde gefüllt hatten – was für sie weder Gold noch Uran bedeutete, sondern Pflanzen, Tiere und Schmetterlinge. Die Soliten waren bewundernswerte Leute gewesen, gebildet und natürlich zugleich, die das Leben liebten. Als der kalte Krieg plötzlich zu einem heißen geworden war, waren sie verschwunden – um, wie sie erklärt hatten, nie wieder zurückzukommen.
    Für alle verständigen Menschen war dies der Augenblick gewesen, wo die Hoffnung starb. Die Erde war wieder allein, ihrem eigenen Leid überlassen.
    »Sie sind verbunden«, sagte eine metallische Stimme. Der Direktor straffte seine Haltung. Eine Sekunde später tauchte er in die Träume von Floyd Milton ein.
     
    *
     
    Es war angenehm, nach dem unerfreulichen Anblick der Schlafsäle und der allgegenwärtigen Bedrohung durch den Krieg. Aber für den Direktor war es auch fremd und seltsam, unglaublich seltsam.
    Die Pflanzen protzten mit Blüten und
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