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Das Ende aller Tage

Das Ende aller Tage

Titel: Das Ende aller Tage
Autoren: Brian W. Aldiss
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vergraben war, riß den Draht aus der ersten Klemme.
    Der Raum hörte auf zu existieren. Irgendwo begann eine Alarmglocke zu schrillen und verhallte. Der Palast verschwand. Menschen, Musik, Blumen, Fassaden und Terrassen lösten sich in ein Nichts auf.
    Der von Milton ausgelöste Kurzschluß hatte den Computer veranlaßt, den gesamten Palast zu seinem Inlandsstandort zurückzubringen.
    Milton versank im Seewasser. Die Unterwasser-Menagerie war geflohen, und als er an die Oberfläche durchstieß, war alles still und leer. Nur ein toter Seevogel, bei der ursprünglichen Materialisierung des Palastes ums Leben gekommen, trieb neben Milton auf dem Wasser. Am Himmel brannte Solites unheimlicher Mond, ein schwangeres Halbrund. Er glühte rot und drohend, wie ein blutunterlaufenes Auge.
    Milton spuckte Salzwasser und hielt mit kräftigen Schwimmstößen auf das Ufer zu.
    »Ich will nach Hause!« sagte er laut zu sich selbst. Und, so redete er sich ein, es war zu machen. Die Entfernung zu den großen Transferkesseln, die die Reise zur Erde gemacht hatten, war nicht groß; man konnte sie zu Fuß zurücklegen. Er konnte sich an Bord schmuggeln und die Mannschaft zwingen, ihn zurückzubringen. Der Ruf dessen, was er als seine Pflicht verstand, war plötzlich so stark, daß er alles übertönte.
    Bei der Durchführung seines Vorhabens würde er nicht zögern, zu töten, wenn es sein mußte. Die Soliten waren ihm fremd. Selbst seine geliebte Amada verstand ihn nicht. Sie wollte ihm nicht einmal eine so geringfügige Sache wie die Zahl der Lichtjahre zwischen Erde und Solite sagen; darum konnte sie ihn nicht aufrichtig lieben. Er mußte Amada vergessen. Vielleicht nach dem Krieg… wenn auf dieses furchtbare Gemetzel überhaupt ein Danach folgte …
    Er brauchte eine Waffe.
    Vom Strand stieß ein schmaler Steg ins Meer. Milton hielt darauf zu und zog sich hinauf. Neben der Laufplanke stand auf Pfählen eine Holzhütte, rot im unheimlichen Mondlicht. Milton stieß die Tür mit der Schulter ein.
    Das Glück war mit ihm. In der Hütte hing eine Sporttaucherausrüstung; Flossen, Taucherbrille, Gummianzug, Tiefenmesser. Und dann war da noch eine großartige Harpune. Milton untersuchte sie. Sie arbeitete mit Luftdruck und feuerte einen gefährlich aussehenden, mit Widerhaken besetzten Speer, in dessen Spitze eine Patrone verborgen war.
    Er suchte herum, bis er einen Gurt mit Ersatzpatronen gefunden hatte, dann verließ er die Hütte mit Harpune und Munitionsgurt. Draußen blieb er wie erstarrt stehen. Chun Hwa kam über den Landesteg auf ihn zu.
    Ja, natürlich – sie hatten erraten, was geschehen war, als er nach dem Kurzschluß verschwunden war. Milton entblößte die Zähne in einem raubtierhaften Grinsen, hob die Harpune und zielte. Chun Hwa blieb sofort stehen.
    »Nicht schießen!« rief er in der Sprache der Soliten. »Floyd Milton, bitte hören Sie mich an. Ich bin nicht Ihr Feind! Sie verstehen nicht; offenbar hat man Ihnen nicht so viel über diese Welt erzählt wie mir.«
    »Ich will nichts hören!« schrie Milton. Sein Blut rauschte in seinen Ohren wie Brandung. In der roten Nacht machte er Gestalten aus, die am Strand hin und her liefen; sie mußten gekommen sein, um ihn zur Strecke zu bringen.
    »Hören Sie, Milton! Bitte, schießen Sie nicht! Diese Leute haben uns und die Tiere und Pflanzen gerettet, weil der Krieg auf der Erde fast alles vernichten wird. Verstehen Sie, Milton? Die Soliten sind unsere …«
    Milton unterbrach ihn mit einem wilden Warnruf. Am Strand drängten sich Leute. Sie hatten den Steg erreicht. Einige von ihnen wateten in die Brandung hinaus und riefen seinen Namen. Er zielte auf die vorderste Gestalt und zog den Drücker durch. Die Harpune schoß heraus, und im nächsten Augenblick explodierte die Ladung in seinem kreischenden Opfer.
    Alles andere wurde leer, verwandelte sich in ein stumpfes, lebloses Grau. Milton war nicht mehr fähig, die Hand zu heben.
     
    *
     
    Der Direktor blieb lange in seiner Kontrollzelle sitzen, die schwitzenden Hände ineinander verklammert. Die Wirkung von Floyd Miltons Traum war so stark, daß er seinen Geist kaum davon losreißen konnte. Als die erste Benommenheit vergangen war, sprang er auf und versuchte sich wieder in seiner eigenen Welt zu orientieren. Irgend etwas hatte Miltons Traum abgeschnitten; er hätte nicht so abrupt enden dürfen.
    Der Direktor nahm Kopfhörer und Haube ab, wählte die Nummer der Kontrollzentrale und verlangte zu wissen, was geschehen
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