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Das Ende aller Tage

Das Ende aller Tage

Titel: Das Ende aller Tage
Autoren: Brian W. Aldiss
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seiner Faszination lernte Milton etwas über die Zivilisation, deren Mitglied er geworden war. Es war nicht leicht, weil er auf die Bruchstücke von Informationen angewiesen war, die in der Konversation hin und wieder auftauchten. Solite war eine größtenteils öde und kahle Welt; die Hälfte des Landes zwischen den Polen war mit Kratern bedeckt und seiner Humusschicht beraubt. Auf dem Rest der Fläche hatten die Soliten versucht, ihre Vorstellungen vom Paradies zu verwirklichen, indem sie zwischen den Wüsten Oasen anlegten. Diese Oasen waren mit irdischer Fauna und Flora ausgestattet, denn ihre eigene Welt war arm an Arten.
    »Holen Sie sich nicht auch von anderen Planeten Pflanzen und Tiere?« fragte Milton eine Frau mit grünen Hexenaugen. Er merkte, wie sie für eine Sekunde aus dem Takt der Tanzmusik kam. Ihre grünen Augen betrachteten ihn forschend, bis er seinen Blick abwandte.
    »Nur von Ihrer Erde«, sagte sie und glitt aus seinen Armen.
    Die Soliten schätzten das Alter ihrer Kultur auf fünfzehntausend Jahre. Sie hatten jetzt eine Periode der Stabilität erreicht. Trotz ihrer Fröhlichkeit glaubte Milton einen verborgenen Kern von Trauer und Einsamkeit in ihnen auszumachen. Aber schließlich verlor sich sein Fremdheitsgefühl in der Ausgelassenheit des Abends. Obwohl er wenig trank, begann er betrunken zu werden.
    Der Palast war wie eine Luftspiegelung, von Menschen und Musik durchflutet. Die ganze Architektur schien in wohlkalkulierter Magie zu schweben.
    »Bald werden wir alles hinunter an die See bewegen!« rief Amada. »Eine solche Nacht ist ohne Ozean unvollständig. Wir müssen Wellen haben, und den Rhythmus der Brandung um uns!«
    Die Räume wurden zu Halluzinationen. Die Transferkessel schienen jedes Wunders fähig zu sein, so feinfühlend reagierten die Servomechanismen auf die Stimmungen der Festgäste. Wände verschoben sich, durchdrangen einander, Räume schwebten auf und nieder, so daß Sterne und Schneeflocken in einem niegesehenen Sturm durcheinanderwirbelten. Das Tempo der versteckten Musik wurde schneller, um mit der sinnverwirrenden Bewegung des Dekors Schritt zu halten.
    Dann traf Wangust Ilsont als letzte der Gäste ein. In ihrer Haarlocke saß ein Chamäleon, dessen Farbton dem Scharlachrot ihrer Lippen angepaßt war. Sie eilte auf Amada und Floyd Milton zu. Auch sie war auf der Erde gewesen. Auch sie war mit einem Mann von dort zurückgekehrt.
    »Es wird für euch beide angenehm sein«, sagte Wangust, während sie Mutons Hand drückte und ihn anstrahlte, »falls ihr einmal Heimweh empfinden solltet. Du wirst der beste Freund meines Mannes sein, mit ihm auf die Jagd gehen und trinken. Wir wohnen nicht weit von euch; ein Pferd bringt dich fast so schnell zu uns wie ein Transferkessel.«
    Sie zog ihren irdischen Mann herbei und stellte ihn als Chun Hwa vor.
    Als die beiden Männer einander gegenüberstanden, schienen alle anderen in den Hintergrund zu treten und zu verblassen. Auf Chun Hwas Gesicht jagten sich die Ausdrücke. Zuerst zornige Enttäuschung, Abneigung, dann Bedauern über die Abneigung. Eine qualvolle Unschlüssigkeit und zuletzt eine verlegene Grimasse, die sagte: »Nun, dies ist weder die Zeit noch der Ort für unfreundliche Worte.« Lächelnd streckte er seine Hand aus.
    Milton brachte sich weniger schnell unter Kontrolle. Die dargebotene Hand ignorierend, wendete er sich an Amada.
    »Dieser Mann gehört einer Nation an, die sich mit meiner im Krieg befindet.«
    Ein unbehagliches Schweigen breitete sich über die ganze Gruppe. Zum Teil war es ein Schweigen der Verständnislosigkeit. Milton hatte in der Sprache der Soliten gesprochen, aber weil diese Sprache nach seinem Wissen keine genauen Äquivalente für Nation und Krieg besaß, mußte er auf »Gruppe« und »Konflikt« ausweichen.
    »Wie kann es einen Konflikt zwischen euch geben?« fragte Amada ruhig, aber mit einem gefährlichen Unterton. »Ihr seid jetzt beide Soliten. Die Erde ist fern und hat keine Bedeutung mehr für euch.«
    Auf Milton übten die Worte genau die falsche Wirkung aus. Alle seine unterdrückten Schuldgefühle brachen wieder in ihm auf. Er ballte die Fäuste. Nur ein Teil von ihm war sich bewußt, daß er im Begriff war, sich vor den Soliten lächerlich zu machen.
    »Zwischen uns besteht ein Konflikt«, erklärte er zornig. »Einer von uns muß sofort gehen.«
    »Das verstehe ich nicht«, sagte Wangust. Sie war von Miltons Reaktion vollständig überrascht. »Ihr seid beide Erdmänner
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