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Das Ekel von Säffle

Das Ekel von Säffle

Titel: Das Ekel von Säffle
Autoren: Maj Sjöwall;Per Wahlöö
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einem Bild vom Stockholmer Rathaus. Über der hohen Rückenlehne des Stuhls hingen einige Kleidungsstücke, ein graues Baumwolljackett, Hosen von gleicher Farbe und aus gleichem Material und ein langes weißes Hemd. Unterhosen und Strümpfe lagen auf dem Sitz, und unter dem Bett standen ein Paar Pantoffeln. Am Kleiderhaken an der Tür hing ein beigefarbener Morgenrock.
    Es gab nur einen Farbton, der sich wesentlich von seiner Umgebung unterschied. Und das war ein schockierendes Rot.
    Der Tote lag halb auf dem Rücken zwischen dem Bett und dem Fenster. Die Kehle war mit solcher Kraft durchgeschnitten worden, daß der Kopf um neunzig Grad nach hinten geworfen worden war und mit der linken Wange auf dem Boden lag. Durch den weit offenen Spalt konnte man die Zunge und das zerbrochene Gebiß des Opfers sehen, das zwischen die aufgeplatzten Lippen gepreßt worden war.
    Beim Fall nach rückwärts war ein dicker Blutstrahl aus der Halsschlagader gepumpt worden. Nur so konnte man sich den breiten purpurroten Streifen quer übers Bett und die Blutflecken an der Blumenvase und auf dem Nachttisch erklären.
    Dagegen stammte das Blut in dem völlig durchtränkten Nachthemd und auch die große Lache auf dem Fußboden aus der Wunde am Zwerchfell. Schon ein oberflächlicher Blick auf diese Wunde ließ erkennen, daß jemand mit einem einzigen gezielten Hieb Leber, Gallengänge, Magen, Milz und Bauchspeicheldrüse zerfetzt hatte. Außerdem die Hauptschlagader.
    Beinahe das gesamte Blut war innerhalb von wenigen Sekunden aus dem Körper herausgesprudelt. Die Haut war bläulichweiß und wirkte beinahe durchsichtig, dort wo man überhaupt noch Haut sehen konnte, zum Beispiel auf der Stirn, an einigen Stellen der Schienbeine und an den Füßen.
    Die Wunde am Zwerchfell war zirka 25 Zentimeter lang und klaffte weit auseinander. Die verletzten Organe waren zwischen den Rändern der aufgeschlitzten Bauchdecke herausgepreßt worden.
    Der Mann war praktisch in der Mitte halb durchgeschnitten worden.
    Selbst für Männer, deren Beruf es war, sich zeitweise an abstoßenden und blutbesudelten Tatorten aufzuhalten, war dieser Anblick im höchsten Grade ekelerregend.
    Martin Beck hatte allerdings keine Miene verzogen, als er den Raum betreten hatte. Für einen Außenstehenden sah es beinahe so aus, als ob all das zu seiner täglichen Routine gehörte. Mit seiner Tochter ins Restaurant gehen, gut essen, trinken, sich ausziehen, ein bißchen an einem Schiffsmodell herumpusseln, sich mit einem Buch zu Bett legen. Und dann plötzlich losstürzen und einen abgeschlachteten Polizeikommissar besichtigen. Das Schlimmste war, daß er selbst dieses Gefühl hatte. Er ließ sich nie verblüffen, ausgenommen von seiner eigenen scheinbaren Gefühlskalte.
    Die Uhr war jetzt zehn Minuten vor drei Uhr nachts, und er hockte neben dem Bett und sah sich die Leiche an, kühl und abschätzend.
    »Ja, das ist Nyman«, sagte er.
    »Hm, daran ist nicht zu zweifeln.« Rönn stand da und sah sich die verschiedenen Gegenstände auf dem Nachttisch an. Plötzlich gähnte er und hielt schuldbewußt die Hand vor den Mund.
    Martin Beck blickte ihn nur kurz an und fragte: »Hast du so was wie einen Zeitplan?«
    »Ja.« Rönn zog seinen Block heraus, in dem er sich in für andere unleserlicher kleiner, verschnörkelter Schrift einige Notizen gemacht hatte, setzte seine Brille auf und leierte vor sich hin: »Eine Krankenschwester hat die beiden Türen um 2 Uhr 10 aufgemacht. Sie hatte nichts Außergewöhnliches gesehen oder gehört, war nur auf einem Routinerundgang durch alle Krankenzimmer. Da war Nyman schon tot. Um 2 Uhr 11 rief sie die Nummer 90-000 an. Die Kollegen im Streifenwagen hörten um 2 Uhr 12 den Alarm über Funk. Sie waren am Odenplan und brauchten für die Fahrt hierher drei oder vier Minuten. Um 2 Uhr 17 machten sie ihre Meldung. Ich kam acht Minuten vor halb hier an. Telefonierte mit dir eine Minute vor halb. Du bist dann um 2 Uhr 44 hier eingetroffen.« Rönn blickte auf seine Armbanduhr. »Jetzt ist es acht vor drei. Als ich hier ankam, war er höchstens eine halbe Stunde tot.«
    »Hat das der Arzt gesagt?«
    »Nein. Das ist meine eigene Diagnose. Körpertemperatur und so. Blutgerinnungszeit…« Er brach ab, so als ob es vermessen sei, eigene Schlüsse zu ziehen.
    Martin Beck rieb sich nachdenklich die Nasenwurzel mit Zeigefinger und Daumen der rechten Hand. »Alles muß unerhört schnell gegangen sein.« Rönn antwortete nicht darauf. Er schien an etwas anderes
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