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Das Ekel von Datteln

Das Ekel von Datteln

Titel: Das Ekel von Datteln
Autoren: Leo P. Reinhard; Ard Junge
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blickte Saale an: »Fertig?«
    Doch sein Kumpel fluchte nur.
    »Was ist?«
    »Der Rekorder springt nicht an!«
    »Ausgerechnet jetzt! Hier, stöpsel schon mal ein!«
    Mager hielt ihm das Ende für das Verbindungskabel zwischen Kamera und Rekorder unter die Nase.
    »Andere Seite! Mach schon!«
    Der Kameramann streckte ihm bereits die Kassette entgegen, da kämpfte Saale noch mit der Verbindungsbuchse: Stecker mit vierzehn Stiften in die richtigen Löcher zu fummeln, war schon im Training nicht einfach. Aber jetzt, als es um Sekunden ging, weil die heißeste Aufnahme ihrer Laufbahn auf sie wartete, zitterten ihm die Hände.
    »Mach doch, du Arsch!«, flehte Mager mit bebender Stimme. Seine Pulsfrequenz lag über zweihundert, und an seinen Magenwänden tobten sich zwei Wölfe aus. Herzinfarkt, du musst warten, dachte er. Nur noch diese Aufnahme!
    »Er tut’s nicht!«, jammerte Saale, während er die Power-Taste bearbeitete.
    »Kein Saft!«
    »Ist denn überhaupt ein Akku drin?«
    Saale riss die Klappe auf und starrte ins Leere: »Ach, du schöne Scheiße!«
    Mager verdrehte die Augen und tippte sich an die Stirn: »Los, lauf. Die braune Tasche. Die musst du doch …«
    Irgendetwas in den Augen seines Kofferschleppers verriet ihm, dass er sie nicht eingepackt hatte. Aber er wollte es nicht wahrhaben.
    »Lauf, guck trotzdem nach!«
    »Nein, ich weiß, wo der Akku ist …«
    »Ja?«
    »Im Ladegerät!«
    »Und wo ist das?«
    »Zu Hause …«

44
     
     
    Brennecke und die anderen nahmen gespannt Platz, als Lohkamp die Video-Kassette einlegte. Geheimnisvoll, wie der Chef tat, war nun die sensationelle Wende in den Ermittlungen angesagt, auf die sie alle warteten: Denn Gellermanns Selbstmord und die Schulderklärung hatten niemanden überzeugt oder gar befriedigt.
    Aus Erfahrung wussten sie: Tötungsdelikte ließen sich oft im ersten Zugriff lösen – wenn sie im Affekt begangen wurden und die Täter, aus dem Rausch aufgewacht, nichts Dringenderes zu tun hatten, als sich mit einem schnellen Geständnis Erleichterung zu verschaffen.
    Aber der Fall Michalski/Gellermann war einer von der unangenehmeren Sorte – falls es angesichts des Abschiedsbriefes überhaupt noch einer war. Dann hatte der Mörder die Tat kühl geplant und die Spuren mit Bedacht verwischt. Ein solches Lügengespinst zu entwirren, war nicht einfach, und mit insgesamt dreieinhalb Wochen Ermittlungsdauer lagen sie noch nicht einmal schlecht. Aber wenn sie noch lange ohne handfestes Material die feineren Kreise der Kanalstadt belästigten, würde es Ärger geben. Und unter solchem Druck würde ihre Arbeit weder leichter noch besser werden …
    Die Reaktionen auf Lohkamps Video-Vorführung waren völlig unterschiedlich.
    »Sie sahen einen Werbefilm der europäischen Brieföffnerindustrie«, bemerkte Steigerwald süffisant und begann, sich in Seelenruhe eine Pfeife zu stopfen. Die Langer dachte nach, Hänsel schüttelte enttäuscht den Kopf, und nur Brennecke schrie nach einem Haftbefehl: »Die haben doch gelogen! Puth hat behauptet, er hätte nie etwas von dieser Insel gehört. Und Roggenkemper …«
    »Hat nicht gelogen!«
    Hänsel hob den Schnellhefter mit den Aussageprotokollen: »Wenn ich vorlesen darf, was er unterschrieben hat: ›Der Zweck der Reise, die Frau Michalski nach Vlieland unternommen hat, ist mir gänzlich unbekannt.‹ Ende.«
    »Das war anders«, widersprach der Kriminalmeister. »Wir haben ihn gefragt, ob er die Insel kennt. Und da hat er gesagt … Mist!«
    »Mit der Antwort habt ihr euch zufrieden gegeben?«, warf Steigerwald ein.
    »Quatsch. Er hat gesagt, er kennt sie, weil die Luftwaffe da übt.«
    »Falsch«, schaltete sich Lohkamp ein. »Er hat nur gesagt: Die Luftwaffe übt da.«
    »Und wo ist der Unterschied?«
    »Mensch, bei wem hast du Deutsch gehabt?«, fragte Steigerwald. Brennecke schwieg beleidigt.
    »Warum haben Sie Roggenkemper nicht direkt gefragt, ob er auf Vlieland war?«, fragte die Kommissarin. »Wer hat das denn verschlampt?«
    »Verpennt«, gestand Lohkamp. Ihre Augen vereisten, und er verzichtete auf jeden Versuch, seinen Patzer zu erklären.
    »Ich verstehe die ganze Aufregung sowieso nicht«, wiegelte Hänsel ab. »Zwei gleiche Brieföffner – was besagt das schon? Irgendwer hat die als Andenken mitgebracht und verschenkt.«
    »Ach, kommen Sie!«, sagte die Langer. »Wenn die aus Heidelberg wären, aus München oder Paris – dafür gäbe es sicher eine harmlose Erklärung. Aber ausgerechnet diese Insel? Da muss
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