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Das Echo

Titel: Das Echo
Autoren: Minette Walters
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Verfügung stünde. Es wäre aber ebenso logisch zu behaupten, daß er, genau wie alle anderen, von den Gerüchten beunruhigt war und sich untypisch verhielt, um sein Engagement und seine Loyalität zu demonstrieren. Gewiß war er nicht der einzige Angestellte, der in dieser Zeit sein Arbeitspensum steigerte, und die meisten dieser Termine beziehen sich auf geschäftliche Verabredungen.«
    Streeters Familie beruft sich zum Beweis seiner Schuldlosigkeit in dieser geheimnisvollen Affäre ferner auf seine mangelnden Computerkenntnisse. »James verfügte einfach nicht über das Fachwissen, um diesen Betrug zu bewerkstelligen«, behauptet John Streeter. »Wir haben über seine Aversion gegen alle moderne Technologie sogar unsere Witze gemacht. Er konnte mit einer Rechenmaschine und einem Faxgerät umgehen, aber der Gedanke, daß er den Computer der Bank umprogrammiert haben soll, ist einfach lachhaft. Wann und wo soll er sich die entsprechenden Kenntnisse erworben haben? Zu Hause hatte er keinen Computer, und bisher hat sich niemand gemeldet, der behauptet, es ihm beigebracht zu haben.«
    Andere jedoch haben ihre Zweifel an Streeters vorgeblicher Ahnungslosigkeit. Es gibt Hinweise darauf, daß er eine Beziehung zu einer Frau namens Marianne Filbert unterhielt, die bei der Firma Softworks Limited als Programmiererin tätig war. Softworks erhielt 1968 den Auftrag, einen Bericht über die EDV-Sicherheit bei Lowenstein zu erstellen, doch die Firma hat diese Arbeit nie beendet, und der Bericht wurde nie vorgelegt. Diejenigen, die nicht an James Streeters Unschuld glauben, wiesen darauf hin, daß Marianne Filbert Zugang zu diesem unvollständigen Bericht hatte und hier der Schlüssel zu dem Betrug liegen könnte; seine Verteidiger hingegen bestreiten, daß er Filbert überhaupt kannte. Ob nun wahr oder nicht, die Affäre war unzweifelhaft zu Ende, bevor der Betrug entdeckt wurde; im August 1989 nämlich ging Filbert nach Amerika. James Streeters Sekretärin hat allerdings ausgesagt, er habe verschiedentlich ihr Textverarbeitungsprogramm zum Abfassen persönlicher Korrespondenz benutzt, und Kollegen bestätigen, daß er keine Schwierigkeiten hatte, das Kalkulationsprogramm des Computers zu verstehen. »Er fand im Nu einen Fehler, der mir unterlaufen war«, behauptete ein Angehöriger seiner Abteilung. »Er sagte, jeder Idiot könne mit so einem System arbeiten, wenn man ihm sagt, auf welche Knöpfe er drücken muß.«
    Dennoch bleiben mehrere Fragen bezüglich James Streeters Verschwinden offen, die nach Meinung des Autors niemals mit der angemessenen Gründlichkeit angesprochen wurden. Wenn wir annehmen, daß er Lowenstein’s Merchant Bank tatsächlich um 10 Millionen Pfund betrogen hatte, woher wußte er, daß die Entscheidung, die Polizei hinzuzuziehen, am 27. April getroffen wurde? Die Polizei unterstellt, daß er von Anfang an vorhatte zu fliehen, falls sein Betrug ans Licht käme, und es reiner Zufall sei, daß die Flucht für den Tag der entscheidenden Aufsichtsratssitzung geplant gewesen sei. Aber wenn das zutrifft, warum saß er dann die sechs Monate der betriebsinternen Prüfung aus? Wenn er nicht Zugang zu Aufsichtsratsunterlagen hatte, was, wie selbst die Polizei zugibt, unwahrscheinlich ist, kann er gar nicht gewußt haben, daß die Untersuchung erfolglos blieb. Und ist es nicht ein ausgesprochen merkwürdiger Zufall, daß gerade das letzte Wochenende im April, wie James Streeters Terminkalender zu entnehmen war, zugleich das einzige Wochenende im April war, an dem seine Frau nicht zu Hause war, weil sie einen lange verabredeten Besuch bei ihrer Mutter machte, so daß James - oder jemand anders - zwei ganze Tage zur Verfügung standen, um sein Verschwinden zu bewerkstelligen, ehe seine Abwesenheit gemeldet wurde?
    Die Polizei behauptet, er habe dieses Wochenende für seine Flucht gewählt, weil er sich unbeobachtet wußte, und er wäre auf jeden Fall verschwunden, ohne Rücksicht auf den Beschluß des Aufsichtsrats. Das jedoch läßt die Beziehung außer acht, die zwischen James Streeter und seiner Frau bestand. Kenneth Streeter zufolge war die Ehe unter anderem auch deshalb so »stürmisch«, weil beiden Partnern die Karriere wichtiger war als ihr Privatleben. »Wenn James gesagt hätte, er müsse am Freitag zu einer geschäftlichen Besprechung am Montag in den Fernen Osten fliegen, hätte seine Frau mit keiner Wimper gezuckt. Das war der Alltag der beiden. Er hätte es nicht nötig gehabt, das einzige Wochenende
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