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Das Echo

Titel: Das Echo
Autoren: Minette Walters
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ihn unerträglich gewesen. Der Tod meiner Mutter war eine weit schlimmere Strafe für ihn als alles, was die Gerichte ihm je hätten auferlegen können.«
    Ein Blick auf Peter Fentons früheres Leben und seine Vergangenheit bringt kaum mehr Licht in das Dunkel. Er wurde am 5. März 1950 geboren und von Jean und Harold Fenton aus Colchester, Essex, adoptiert. Jean nannte ihn stets ihr »kleines Wunder«, da sie zur Zeit der Adoption bereits zweiundvierzig Jahre alt war und alle Hoffnung auf ein Kind aufgegeben hatte. Sie und ihr Mann waren Lehrer und widmeten ihrem Sohn Zeit und Mühe in verschwenderischem Maß. Ihr Lohn war ein begabter Junge, der als Stipendiat zuerst in Winchester und dann in Cambridge aufgenommen wurde, wo er Altphilologie studierte. Doch im Lauf der Adoleszenz entfremdete er sich seinen Eltern allmählich, verbrachte seine Ferien immer seltener in Essex und zog es vor, sich, wann immer möglich, bei Freunden in London aufzuhalten. Es gibt Indizien dafür, daß er voll Groll auf seine bescheidene Herkunft war und entschlossen, sie hinter sich zu lassen. Er zeigte wenig Liebe zu seinen Adoptiveltern.
    In einem Brief an seinen Bruder im Jahr 1971 schrieb Harold Fenton: »Peter hat Jean das Herz gebrochen, und ich werde ihm das nie verzeihen. Als ich ihn mir wegen seines Spielens vornahm, fragte er, ob es mir lieber wäre, wenn er stehle, um sich den Weg aus unserem Haus und unserem Leben zu erkaufen. Er schämt sich unser. Offenbar hat er vor, in den auswärtigen Dienst zu gehen, sobald er in Cambridge abgeschlossen hat, und er wollte uns ›warnen‹, daß wir ihn, wenn es soweit ist, nur noch sehr selten sehen würden. Seine Karriere stünde an erster Stelle. Ich fragte ihn, ob er eine Erklärung dafür habe, warum Gott uns mit so einem ungefälligen Kind gesegnet habe, und er sagte: ›Ich habe euch stolz gemacht. Was wollt ihr mehr?‹ Ich hätte ihn geschlagen, wenn Jean nicht dabeigewesen wäre.«
    Peter Fenton trat 1972 nach seinem Abschluß in Cambridge in den diplomatischen Dienst ein, und schon früh wurde Sir Angus Fraser, damals Botschafter in Paris, auf ihn aufmerksam. Dank Frasers Unterstützung schien Fenton einer glänzenden Karriere entgegenzusehen. Doch seine Heirat mit Verity Standish im Jahr 1980 wurde von vielen als Fehler betrachtet, und sein kometenhafter Aufstieg schien gebremst. Verity, eine Witwe mit zwei halbwüchsigen Kindern, war dreizehn Jahre älter als Fenton und wurde wegen ihres Alters als ungeeignet betrachtet, die Ehefrau eines zukünftigen Botschafters zu werden. In Anbetracht dessen, ist es interessant, daß er seine Liebe zu Verity über seine Karriere stellte. Diese Entscheidung jedoch schien sich als richtig zu erweisen, als er im September 1981 seine erste Berufung nach Washington bekam.
    Es folgten sieben Jahre scheinbar tadellosen Ehelebens und engagierter Arbeit. 1983 wurde Fenton für seine Verdienste im Dienst der britischen Regierung während des Falklandkriegs mit dem Order of the British Empire ausgezeichnet, und Verity bewährte sich als treue Ehefrau und begehrte Gastgeberin bei offiziellen Anlässen. Ihre Kinder, die ihre Ferien stets mit dem Paar verbrachten, gleich, in welchem Teil der Welt es sich befand, erinnern sich Fentons mit Zuneigung. »Er war immer sehr nett zu uns«, sagte Veritys Sohn, Anthony Standish. »Er hat einmal zu mir gesagt, er habe immer geglaubt, Geld und Ehrgeiz seien das einzige, was im Leben zählt, bis meine Mutter ihn lieben lehrte. Deshalb glaube ich nicht, daß er ein Verräter war. Das Geld hätte ihn nicht gelockt. Wenn Sie meine Meinung hören wollen, sie war diejenige, die eine Affäre hatte. Sie war der Typ Frau, der dauernd Liebesbeweise brauchte, wahrscheinlich weil mein leiblicher Vater ein Frauenheld und ihre Ehe unglücklich war. Vielleicht hat sie sich vernachlässigt gefühlt, weil Peter zu dieser Zeit soviel gearbeitet hat, und ist ihm aus einem Mangel heraus untreu geworden. Wenn Peter dahintergekommen ist und ihr gedroht hat, sie zu verlassen, würde das ihren Selbstmord erklären.«
    Leider aber erklärt es sonst nichts. Warum ist Peter Fenton verschwunden? Lebt er oder ist er tot? War er ein Spion, ein untreuer Ehemann oder ein gehörnter? Können wir ernstlich glauben, daß die Liebe zu Verity ihn vom ehrgeizigen Materialisten zum liebenden Gatten und Stiefvater gewandelt hat? Und wenn er seine Frau wirklich so sehr geliebt hat, wie seine Stiefkinder behaupten, was hat er dann vor seiner Abreise
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