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Das Echo

Titel: Das Echo
Autoren: Minette Walters
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Bruder, bringen vor, James habe als Sündenbock für einen anderen herhalten müssen und sei ermordet worden, weil der wahre Schuldige sich damit vor weiteren Ermittlungen schützen wollte. Zur Begründung ihrer Position zitieren sie aus einem handgeschriebenen Fax, das am Freitag, dem 27. April 1990, aus James Streeters Büro an das seines Bruders in Edinburgh gesandt wurde.
    »Lieber John«, lautete es, »Dad drängt mich, einen Raum für die Feier zum vierzigsten Hochzeitstag zu bestellen. Er schlägt das Park Lane vor, aber ich erinnere mich, daß Mama gesagt hat, wenn sie je einen Hochzeitstag groß feiern würde, würde sie gern in dem Hotel in Kent feiern, in dem damals der Hochzeitsempfang stattfand. Bilde ich mir das ein? Und hat sie Dir gegenüber mal den Namen des Hotels erwähnt? Dad sagt, es war irgendwo in Sevenoaks, kann sich aber nicht an Einzelheiten erinnern. Er behauptet, sein Gedächtnis lasse nach, aber ich vermute, er war den ganzen Tag sturzbetrunken und wußte überhaupt nicht, wo er war. Ich habe es schon bei den Tanten und Onkel versucht, aber von ihnen kann sich auch keiner erinnern. Wenn wir nicht weiterkommen, werden wir wohl die Überraschung platzen lassen und Mama selbst fragen müssen. Du weißt ja, wie sie ist. Es würde ihr puritanisches Gemüt verletzen, wenn wir für etwas, das sie sich gar nicht wünscht, ein Vermögen ausgeben, und dann könnte sie es nicht genießen. Ich weiß, es ist noch lang hin, aber je früher wir buchen, desto geringer ist die Gefahr der Enttäuschung. Ich bin das ganze Wochenende zu Hause; ruf mich an, wenn es Dir paßt. Ich habe Dad versprochen, ihn Sonntagmittag zurückzurufen. Gruß, James.«
    »Die Polizei mag behaupten, was sie will«, sagt John Streeter, »mein Bruder hätte dieses Fax nicht geschrieben, wenn er vorgehabt hätte, am selben Abend das Land zu verlassen. Es hätte hundert bessere Möglichkeiten gegeben, allen Verdacht bezüglich seiner Absichten zu beschwichtigen. Ich halte es für wahrscheinlicher, daß er auf den Besuch angespielt hätte, den meine Familie und ich ihm im Mai machen wollten. ›Wir sehen uns in zwei Wochen‹ wäre doch weit eindeutiger gewesen als ›ruf mich an, wenn es Dir paßt‹. Und warum hätte er unseren Vater erwähnen sollen? Es wäre für ihn doch riskant gewesen, wenn sich gleich zwei Mitglieder seiner Familie wegen angekündigter Anrufe, die dann nicht erfolgten, Sorgen machten.«
    Die Polizei ist skeptisch. Sie beruft sich auf das Klima des Argwohns, das bei Lowenstein bestand, und auf James’ Bestreben, jegliches Interesse an seinem Tun an diesem Wochenende zu zerstreuen. Obwohl die innerbetriebliche Untersuchung bei Lowenstein angeblich geheim war, fiel den meisten Angestellten auf, daß die Sicherheitsmaßnahmen verschärft wurden. Der Klatsch blühte, und mindestens zwei Personen aus Streeters Abteilung sagten nachweislich, sie hätten schon vor seinem Verschwinden gewußt, daß irgendwelche Betrügereien entdeckt worden waren und der Verdacht sich auf ihre Abteilung konzentrierte. Wenn, wie die Polizei glaubt, Streeter abwartete, bis die Untersuchung in ein Stadium getreten war, das ihn zur Flucht zwang, dann war das Fax an seinen Bruder lediglich Teil der Vernebelungstaktik, die er einsetzte, um Verwirrung zu stiften. Fast bei jedem Telefongespräch in den Wochen vor seinem Verschwinden lud er Geschäftsfreunde zu Zusammenkünften im April, Mai und Juni ein. Seine Frau berichtete der Polizei, daß James Streeter Anfang April ungewöhnliche Anwandlungen von Geselligkeit zeigte und sie anregte, bis in den Juli hinein kleine Abendessen und Wochenendtreffen mit Freunden, Arbeitskollegen und Familienangehörigen zu verabreden.
    Der Polizei zufolge handelte er nach einem geheimen Plan. Sie weist auf die Tatsache hin, daß er seine Sekretärin schon zu Beginn der »geheimen« Untersuchung anhielt, seinen Terminkalender, auch was private Termine betraf, genau auf dem laufenden zu halten, und es fällt auf, daß er für April, Mai, Juni und Juli 1990 wesentlich mehr Termine hatte als in den gleichen Monaten vergangener Jahre. Sein Bruder gibt zu, daß sein Verhalten ungewöhnlich war. »Ja, es hat uns überrascht, als sie uns zu einem längeren Besuch einluden, weil James immer erklärt hat, es langweile ihn, Gäste zu bewirten. Die Polizei behauptet, es sei ein erfolgreicher Versuch gewesen, die Ermittler in Sicherheit zu wiegen und glauben zu machen, daß er bis in den Juli hinein zu Vernehmungen zur
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