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Das Echo der Lüge - Miller, S: Echo der Lüge

Das Echo der Lüge - Miller, S: Echo der Lüge

Titel: Das Echo der Lüge - Miller, S: Echo der Lüge
Autoren: Sophie Miller
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Leben haben wir Glück!«

38
    Pascal versuchte, mit den Behörden zu schachern. Er besaß die Frechheit, denjenigen, die ihn des Betrugs überführen wollten, ein Geschäft vorzuschlagen. Er leugnete nicht länger, sondern drehte den Spieß um. Er rächte sich an Jessica, indem er auspackte und den Behörden seine Kooperation anbot. Da die Staatsdiener witterten, dass sie einen Teil des Geldes, das sie verloren geglaubt hatten, zurückbekommen würden, zeigten sie Interesse an Pascals Vorschlag. Da seine Einvernahme, auch die Ermittlungen seiner Verbindung zu Jessica, einige Zeit in Anspruch nehmen würden, erlaubte man mir nach dreitägigen Befragungen, die Heimreise anzutreten. Dora und Ernie waren zu diesem Zeitpunkt bereits wieder in Niagara Falls, um achttausend Euro reicher – für sie ein kleines Vermögen.
    Ich selbst versuchte den Einstieg in ein neues Leben. Dass es so langsam und mühselig ging, verdeutlichte mir, wie stark mir die Jahre mit Pascal gefühlsmäßig anhingen. Auch wenn die offizielle Anerkennung seines Todes noch ausgestanden hatte, war ich als seine Witwe angesehen worden. Nun war ich wieder mit ihm verheiratet – und einer meiner nächsten Schritte musste sein, die Scheidung einzureichen. Ich hatte dabei das irrationale Gefühl, meinem Mann jetzt, da er um seine Existenz kämpfte, in den Rücken zu fallen. Mein kanadischer Anwalt riet dringend zur Scheidung, Dr. Hollmann schlug selbstverständlich vor, noch damit zu warten.
    Was mir ein wenig Sicherheit gab, war der Umstand, dass zwischen mir und den Ereignissen in Frankfurt ein breiter Ozean lag. Ich war zu Hause, meine kleine Wohnung umfing mich. Bald nach meiner Rückkehr rief ich Karen an. Ängstlich fragte ich, ob die Übersetzung des Jugendbuches inzwischen vergeben worden sei, und freute mich riesig, dass sie mir den Job reserviert hatte.
    Zu arbeiten, ohne Furcht zu leben, meine Freiheit zu genießen und nicht mehr im Bann eines dunklen Geheimnisses zu stehen, war meine simple Lebensstrategie. Tagsüber gelang mir das erstaunlich gut, auch deshalb, weil ich nicht daheim arbeitete, sondern jeden Morgen in ein Verlagsbüro fuhr, das Karen mir zur Verfügung stellte. Ich begann mit der Übersetzung des Jugendromans, in der Mittagspause nahm ich den Lunch in der City ein, arbeitete nachmittags weiter, machte Besorgungen und kehrte mit einer gesunden Müdigkeit in mein Apartment zurück. Durch den Job lernte ich neue Verlagsleute kennen und wurde hin und wieder zu einem Drink eingeladen. Geduldig bastelte ich an dem, was sich wie ein normales Leben anfühlte. Ich genoss den Alltag wie andere einen Traumurlaub.
    Öfter als früher setzte ich mich ins Auto, fuhr die anderthalb Stunden an die Grenze und besuchte Dora und Ernie. Dank seiner Strenge wirtschaftete Dora vernünftig mit dem unverhofften Geld. Seit die beiden glaubten, durch Monte Carlo sei das Glück bei ihnen eingezogen, schien es tatsächlich so zu sein.
    Man hatte mir versichert, die Scheidung würde sich weitgehend schriftlich abwickeln lassen. Dennoch lag ein beängstigendes Ereignis noch vor mir – der Prozessbeginn. Die Vorstellung, wie es sein würde, Pascal auf der Anklagebank zu sehen, raubte mir den Schlaf. Manchmal wachte ich in der Nacht auf, Laken und Schlafanzug waren durchgeschwitzt. Die Geister, die sein Betrug in mein Leben gebracht hatte, ließen mich nicht in Ruhe. Der Damm aus Normalität, den ich tagsüber errichtete, brach nachts zusammen. Lange vor Tagesanbruch machte ich mir Tee, schlich durch die Wohnung, schaute fern, um mich abzulenken. Meistens kam die Müdigkeit erst im Morgengrauen, bleiern schlief ich bis zum Weckerläuten.
    Ich hatte den Behörden glaubhaft versichert, dass ich nichts über Pascals Geschäfte wüsste und nichts beisteuern könnte als das, was ich bei den Vernehmungen angegeben hatte. Da die Scheidung noch nicht ausgesprochen war, würde ich ohnehin nicht als Belastungszeugin gegen ihn aussagen müssen. Dennoch bestand die Staatsanwaltschaft Frankfurt darauf, dass ich zu Beginn des Prozesses dabei sein sollte. Ich versuchte mir das Ereignis auszumalen. Ein nüchterner Gerichtssaal, Pascal und seine Verteidiger, Jessica im strengen Kostüm, vielleicht würde sie Robbie an ihrer Seite haben. Ob sie als Zeugin oder als Mitangeklagte erscheinen musste, hatte man mir nicht mitgeteilt. In einer Reihe dieses Saales würde ich selbst sitzen, ohne Zweifel, auf welcher Seite ich stand, zugleich voll Mitgefühl für Pascal, der seinen
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