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Das Echo der Lüge - Miller, S: Echo der Lüge

Das Echo der Lüge - Miller, S: Echo der Lüge

Titel: Das Echo der Lüge - Miller, S: Echo der Lüge
Autoren: Sophie Miller
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und voll Gefühl. »Ich hoffe nur, es gab nichts Unausgesprochenes zwischen Pascal und Ihnen, bevor er verunglückte.«
    »Nein«, antwortete ich. »Rio war für uns eine unsagbar schöne Zeit.«
    »Nehmen Sie ihn so mit, wie Sie ihn in Erinnerung haben.« Sie trat zurück. »Mehr können Sie nicht tun.«
    In diesem Augenblick gab ich ihr recht. Zum ersten Mal in drei Monaten ließ ich in mir die Möglichkeit zu, dass ich einem Phantom auf der Spur war, einem erhofften Geheimnis, das nicht existierte, außer in meiner Fantasie. Die Wirklichkeit in dem kargen Zimmer, Pascals Mutter, die sich überraschend verständnisvoll zeigte, ließen meine Hoffnungen und Tagträume ins Wanken geraten. Für alle anderen war Pascals Tod Gewissheit – wieso klammerte ich mich an das Unmögliche? Warum kehrte ich nicht in mein Leben zurück, mein früheres Leben, wandte mich ab von Pascal, den ich jetzt erst wirklich verlor? Während ich mit dieser Erkenntnis rang, spürte ich, unser Gespräch war zu Ende. Ich begriff zugleich, warum Pascal die Verbindung zwischen seiner Familie und mir stets verhindert hatte, diese Verbindung war nicht erwünscht gewesen. Vielleicht hatte er sich wegen der Scheidung von Jessica mit seiner Mutter überworfen, oder es gab einen anderen Grund. Heute spielte es keine Rolle mehr. Nach seinem Tod bestand für die Zuermatts erst recht kein Anlass, das Versäumte nachzuholen.
    Ein paar Sätze noch, dann dankte ich seiner Mutter und ging, fremd, wie ich gekommen war, mit meiner lächerlichen Schuhtüte in der Hand. In meinem aufgewühlten Zustand lief ich die wenigen Kilometer nach Saanen zu Fuß und merkte erst beim Abstieg in die Schlucht, dass es besser war, in die festen Wanderschuhe zu schlüpfen.

4
    Der Schrank war halb geleert, der Koffer halb voll. Ich wusste noch nicht, wie ich dem Vermieter meinen überstürzten Aufbruch erklären, ob ich von der Miete etwas zurückbekommen würde. Eine Woche hatte ich in der Schweiz bleiben wollen, nun hielt mich nichts mehr. Zum ersten Mal fühlte ich nicht mehr den Schmerz, alleingelassen zu sein, sondern erkannte die Tatsache an, dass es so war. Die irrige Hoffnung, falls ich mich nur genügend anstrengen würde, wäre Pascals Tod aufzuheben, kam mir in den Minuten, als ich mein Quartier räumte, so verrückt vor, dass ich mehrmals den Kopf schüttelte. Meinen Zetteln schenkte ich keinen Blick, raffte sie zusammen und warf sie in den Koffer. Es war billiger, einen neuen Flug zu buchen, als den bestehenden zu ändern. Allerdings gab es keine Verbindung mehr, die ich heute noch erreichen würde, weder von Genf noch von Basel aus.
    Wozu die Hektik, dachte ich, wieso willst du aus der schönen Gegend fluchtartig aufbrechen, warum nicht noch eine Nacht, einen Abend in Saanen verbringen? Aber nicht an diesem finsteren, unattraktiven Ort. Ich verspürte plötzlich Lust, etwas Ungewöhnliches zu tun. Ein bisschen Luxus wollte ich mir gönnen, statt die düstere Pflicht zu erfüllen, die mich hergebracht hatte. Einen Abend lang wollte ich es genießen, als Flachland-Kanadierin in den Alpen zu sein. Ich buchte im Hotel Solsana ein Zimmer, packte meine restlichen Sachen ein, verhandelte mit dem Vermieter, der mir netterweise nur zwei Nächte berechnete, und bat ihn, mir ein Taxi zu bestellen. Der Wagen kam, ich sah den Mann vor seinem düsteren Haus zurückbleiben, während das Taxi die Straße hochfuhr, Schleife um Schleife ins Sonnenlicht, bis wir Saanen erreichten und vor dem Solsana hielten. Es lag erhöht über der Ortschaft, war ein ehrwürdiges Gebäude, im Inneren leider ernüchternd modern. Ich nahm ein Zimmer für eine Nacht und begutachtete im Prospekt, was das Hotel zu bieten hatte. Ich lieh mir an der Rezeption einen Badeanzug, schlüpfte in einen weißen Frotteemantel und ging ins Hallenbad. Danach wirst du hungrig sein, dachte ich, wirst dich über Rösti und Ochsenschwanz und die ande ren Köstlichkeiten hermachen, von denen Pascal dir vorge schwärmt hat.
    Das Wasser war für meinen Geschmack zu warm. Als Einzige zog ich meine Bahnen; die anderen Gäste waren wahrscheinlich draußen, unternahmen Wanderungen und Bergtouren. Hätte mein Schweizbesuch nicht unter diesem unglücklichen Stern gestanden, wäre ich zu gern auf Erkundungstour gegangen. Aber so stand fest, dass ich am nächsten Tag abreisen würde. Eine Erschütterung zeigte an, dass jemand ins Becken gesprungen war. Nach der nächsten Wende sah ich einen Mann, er schwamm auf der Außenbahn im
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